Geschichtliche Einordnung -

VORARLBERG IM 19. JAHRHUNDERT

Vorarlberg zur Zeit der napoleonischen Kriege

Das bedeutendste Ereignis im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts war die Französische Revolution (1789). Einiges Gedankengut dieser Volkserhebung erregte auch in Vorarlberg bei der Bevölkerung, die seit altersher Freiheitsrechte und Demokratie liebte, Sympathien, zumal die Bewohner unter den absolutistischen Maßnahmen und Eingriffen des Josephinismus sehr gelitten hatten. Unter den Nachfolgern Josephs II. gelang es immerhin, die Rücknahme so mancher überspitzter Reformen zu erzwingen, besonders im religiösen Bereich.

Während der drei Koalitionskriege wurde Vorarlberg mit in die Kriegswirren einbezogen, und die Bevölkerung musste sich neuerdings in der Verteidigung der Heimat bewähren. Einquartierungen und Durchmärsche von Soldaten, Besatzungen sowie die politischen und wirtschaftlichen Folgen der wechselnden Bündnisse unter den Großmächten machten der Bevölkerung sehr zu schaffen.

Zu den schwersten Kampfhandlungen kam es im zweiten Koalitionskrieg 1799 bei Feldkirch, wo es dem österreichischen Militär unter General Jellacic gemeinsam mit den Vorarlberger Landsturmschützen unter Führung der Hauptleute Sigmund Nachbaur (Rankweil) und Bernhard Riedmiller (Bludenz) gelang, die dreifache Übermacht der Franzosen zurückzuwerfen.

Vorarlberg unter bayerischer Herrschaft (1806 - 1814)

Der dritte Koalitionskrieg 1805 endete mit der Niederlage Österreichs und dem Frieden von Preßburg. In diesem Friedensschluss wurde bestimmt, dass Tirol und Vorarlberg an Bayern abgetreten werden mussten. Die österreichischen Vorlande gingen für immer verloren. Dieser Anschluss an Bayern brachte eine tief greifende Umgestaltung der politischen Gliederung und Verwaltung unseres Landes.

Die 24 seit dem Mittelalter bestehenden Gerichte wurden aufgelöst. An ihre Stelle traten sieben Gerichtsbezirke (wovon heute noch sechs bestehen). Die kleinste Verwaltungseinheit wurde die Gemeinde (bisher das Gericht mit mehreren Dörfern) mit einem ernannten und staatlich besoldeten Vorsteher an der Spitze.

Der Landtag wurde aufgelöst. Vorarlberg wurde dem Generalkommissariat lllerkreis unterstellt, dessen Provinzhauptstadt Kempten war. Die allgemeine Wehrpflicht wurde eingeführt, was zur Folge hatte, dass auch Vorarlberger Männer Opfer europäischer Kriege wurden (z.B. Russlandfeldzug Napoleons).

An wirtschaftlichen Auswirkungen seien u.a. angeführt: Die bayerische Zollordnung schnürte das Land von seinen Absatzmärkten in Österreich und der Schweiz ab. Die öffentlichen Abgaben stiegen auf das Achtfache. Verurteilungen zu Zwangsarbeit waren gang und gäbe. Das vom Volk selbst verwaltete Stiftungswesen in den Dörfern wurde aufgelöst, die Gelder wurden unter staatliche Aufsicht gestellt. Am empfindlichsten waren die Eingriffe im kirchlichen Bereich, die jene unter Joseph II. noch übertrafen (u.a. Aufhebung des Klosters Mehrerau, Abbruch der barocken Klosterkirche).

Alle diese zentralistischen Maßnahmen der bayerischen Fremdherrschaft führten zur Volkserhebung von 1809. Der Landtag trat widerrechtlich zusammen und bestellte Dr. Anton Schneider zum Landeskommissär. Ähnlich wie in Tirol gelang es, in einem bewaffneten und organisierten Befreiungskampf die Fremdherrschaft - allerdings nur für zwei Monate - abzuschütteln. Nach Niederschlagung der Erhebung durch württembergische und französische Truppen folgte eine verschärfte Besatzung. Das Land musste die als Knechtschaft und Ausbeutung empfundene Bayernherrschaft noch bis 1814 ertragen.

Durch den Pariser Vertrag wurde Vorarlberg wie Tirol wieder an Österreich zurückgegeben. Der Gerichtsbezirk Weiler/Allgäu blieb jedoch bei Bayern. Lustenau wurde hingegen Österreich eingegliedert. Damit stellt Vorarlberg seit 1814 ein geschlossenes Verwaltungsgebiet dar (nachdem 1765 Hohenems sowie 1804 Blumenegg und St. Gerold an Österreich gekommen waren).

Viele der bayerischen Reformen erwiesen sich jedoch in der Folge als gediegene Grundlage für eine neuzeitliche Weiterentwicklung von Verwaltung und Wirtschaft des Landes Vorarlberg.

Vom Wiener Kongress bis zum Revolutionsjahr 1848

Nach der Rückkehr Vorarlbergs an Österreich wurde das Land ein Kreis mit einem Kreisamt in Bregenz, geleitet von einem durch den Kaiser zu ernennenden Kreishauptmann. Diesem unterstanden die drei Bezirksämter Bregenz, Feldkirch und Bludenz. Übergeordnete Behörde war die kaiserliche Statthalterei in Innsbruck. Der 1822 bestellte, überaus aktive Kreishauptmann Ebner lenkte fast drei Jahrzehnte die Geschicke des Landes. Er machte sich sehr um die wirtschaftliche Entwicklung Vorarlbergs verdient.

In der Ära des Metternich'schen Polizeistaates (Vormärz) gelang es nicht, die landständische Verfassung wiederherzustellen. Zensur und Spitzelwesen behinderten eine politische Betätigung. So wandte man sich mehr der Lösung sozialer und wirtschaftlicher Probleme zu, welche sich zufolge des Anwachsens der Bevölkerung im Zusammenhang mit der ersten großen Industrialisierungswelle zusehends vermehrten.

Von 1790 bis 1848 wuchs die Bevölkerung von 74 000 auf nahezu 106 000 an. In dieser Zeit erfolgten zahlreiche Fabriksgründungen an Bächen und Flussläufen. Es handelte sich um mechanische Baumwollspinnereien und Webereien, die die vorhandene Wasserkraft nutzten. (1850 verfügte das kleine Vorarlberg mit fast 200 000 Spindeln über ein Siebtel jener der ganzen Monarchie.)

Hand in Hand mit der Industriegründung ging die weitere Verkehrserschließung: 1824 Vollendung des im vorangegangenen Jahrhundert begonnenen Ausbaus der Arlbergstraße, 1837 Bau der Schwarzachtobelstraße und in der Folge weitere straßenmäßige Erschließung des Bregenzerwaldes, 1842 - 1850 Bau des Bregenzer Hafens, seit 1824 Dampfschiffe auf dem Bodensee.

Die Hoffnung auf eine politische Selbstverwaltung Vorarlbergs, wie sie sich im Revolutionsjahr 1848 in Wien aufgetan hatte, zerschlug sich schnell, nachdem die Revolution unter dem kaiserlichen Feldherrn Radetzky niedergeschlagen worden war. Der Absolutismus hatte noch einmal gesiegt. Die zentralistische Staatsverwaltung wurde verschärft. Vorarlberg blieb der Innsbrucker Statthalterei unterstellt. Die Befugnisse des Kreisamtes in Bregenz wurden stark eingeschränkt.

Eine Frucht der 48er Revolution war jedoch die erstmalige Gründung politischer Parteien im Land. Die Konservativen (ab 1893 Christlichsoziale) einerseits und die liberalen Demokraten andererseits sollten künftig die politische Landschaft bestimmen.

Vorarlberg unter Kaiser Franz Joseph I. (1848 - I. Weltkrieg)

Vorarlbergs Streben nach politischer Selbstverwaltung zog sich durch die ganze Regierungszeit Kaiser Franz Josephs I. Unter der Parole Los von Tirol wurden zahlreiche selbstständige Landesämter und Landesanstalten geschaffen, die das Selbstständigwerden vorbereiten sollten, so etwa die Landeshypothekenanstalt, eine Landesirrenanstalt, eine landwirtschaftliche und chemische Versuchsanstalt.

Einen Meilenstein in der Wirtschaftsentwicklung bildete die Gründung der Vorarlberger Handelskammer mit Sitz in Feldkirch (1850). Das durch die geistige Bewegung der Romantik geweckte Geschichts- und Nationalbewusstsein begünstigte die Entstehung des Vorarlberger Landesmuseumsvereins (1857), eines Landesarchivs und einer Landesbibliothek. 1905 erhielt das Landesmuseum sein Gebäude am Kornmarkt in Bregenz.

1861 kam Vorarlberg dem Ziel einer selbstständigen Landesverwaltung wieder ein Stück näher: In der vom Kaiser gewährten konstitutionellen Verfassung wurde dem Land ein demokratisch gewählter Landtag zugestanden mit dem Recht, alle Landesangelegenheiten selbst zu regeln. Das Land blieb aber weiterhin der kaiserlichen Statthalterei Innsbruck unterstellt, der Landeshauptmann wurde vom Kaiser ernannt, eine Landeshauptstadt gab es noch nicht.

Zufolge der politischen Wirren um das Revolutionsjahr 1848 und der folgenden österreichischen Kriege (Krimkrieg, Lombardei, Preußen) kam es für zwei Jahrzehnte zu einer wirtschaftlichen Stagnation. Zwischen 1848 und 1857 schrumpfte beispielsweise die Einwohnerzahl des Landes um rund 5 000.

Ab 1870 setzte ein neuer Konjunkturaufschwung ein, der in den folgenden Jahrzehnten bis vor dem Ersten Weltkrieg anhielt. In dieser zweiten Gründerphase expandierte nicht nur die vorhandene Baumwollweberei, sondern im Rheintal und im Walgau - nun auch an Standorten, die nicht mehr auf die Wasserkraft angewiesen waren - siedelten sich zahlreiche Stickereifirmen (besonders in Lustenau) sowie Wirk- und Strickwarenfabriken an. Die Mechanisierung erfolgte mittels Dampfkraft. Die dafür notwendige Kohle konnte auf den neuen Eisenbahnlinien leicht herbeigeschafft werden. Im Gefolge der Textilindustrie entwickelten sich auch Betriebe der Eisenbranche (die Rüschwerke in Dornbirn erzeugten als älteste alpenländische Turbinenfabrik Wasserkraftanlagen und Maschinenteile; in Bregenz gab es eine Nadelfabrik). Nutznießer der Wirtschaftsblüte waren auch das Gewerbe und der Handel.

Die Verkehrserschließung wurde intensiviert:

1872:   Vorarlbergbahn Bludenz - Lindau mit den Anschlüssen nach Buchs und St. Margarethen

1884:   Arlbergbahn

Erschließung der Bergtäler mit Fahrstraßen (z.B. Flexenstraße)

Erste Brückenbauten über den Rhein

1902:   Bregenzerwaldbahn

1905:   Montafonerbahn

Im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts entstanden die ersten Elektrizitätswerke, durchwegs auf Initiative der Textilunternehmer.

Diese Wirtschaftsentwicklung bewirkte eine Bevölkerungsabwanderung aus den Bergtälern und eine rasche Zunahme der Einwohnerzahlen in Orten mit Industrie (Raggal 1850: 851 Ew.; 1910: 508 Ew.; Kennelbach 1850: 296 Ew.; 1910: 1 446 Ew.).

Bedingt durch diese zweite Industrialisierungswelle sowie durch den Bahn- und Straßenbau kam es zur Zuwanderung billiger Arbeitskräfte aus dem italienischsprachigen Trentino (ca. 20 000). In Orten wie Hard und Bürs betrug der Anteil der Welschtiroler und Italiener an der Ortsbevölkerung bis zu 25 %, in Kennelbach sogar 40 %. Die in Vorarlberg seit Jahrhunderten übliche Abwanderung von Menschen hatte sich erstmals in eine Zuwanderung gewandelt.

Trotz dieser Entwicklung blieb die althergebrachte Saisonwanderung (Hütekinder, Ährenleserinnen, Krauthobler) bestehen. Sie dauerte noch bis nach dem Ersten Weltkrieg an. Offensichtlich zogen besonders die Montafoner diese Saisonarbeit der Beschäftigung in den Fabriken vor.

Insgesamt brachte das 19. Jahrhundert dem Land einen nie zuvor erlebten Aufschwung. Innerhalb von gut 100 Jahren hatte sich Vorarlberg vom reinen Agrarland zu einem ausgesprochenen Industrieland entwickelt. 1910 belief sich die Landesbevölkerung auf 145 000 Personen, wovon nur noch 32 % von der Land- und Forstwirtschaft lebten.

Dank des Umstandes, dass sich die Industrialisierung auf viele verstreute Standorte verteilte, bildete sich kein Proletariat wie in den industrialisierten Großstädten.

Der Arbeiter blieb in Vorarlberg mit Grund und Boden verbunden. Viele betrieben eine kleine Landwirtschaft nebenher. Die Arbeiterschaft blieb jedoch auch bei uns nicht von den negativen sozialen Erscheinungen der Fabriksarbeit verschont (lange tägliche Arbeitszeit, Wohnungsnot, Kinderarbeit, mangelnde Gesundheitsbetreuung, hohe Säuglingssterblichkeit, niedere Lebenserwartung u.a.m.).

Neben einer vermögenden Unternehmerschicht entwickelte sich in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg eine verhältnismäßig breite wohlhabende Mittelschicht, besonders im Rheintal und Walgau.

In der Landwirtschaft wurde die im vorigen Jahrhundert eingeleitete Umstellung von Ackerbau auf Viehzucht weiter vorangetrieben (Montafoner Braunvieh, Fettkäserei, Sennereigenossenschaften, Käsehandel).

Im kulturellen Bereich fielen in diese Zeit die Gründungen der ersten Turnvereine, Feuerwehren, Gesangs- und Musikvereine u.a.m., aber auch die Einrichtung erster Armenhäuser. Es entstanden die ersten Vorarlberger Tageszeitungen (Vorarlberger Landeszeitung, Vorarlberger Volksblatt).

Die Verkehrserschließung und die Gründung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (1869) brachten die ersten Ansätze eines sich entwickelnden Fremdenverkehrs.

Der Entwicklung des Schulwesens wurde großes Augenmerk geschenkt. Allein zwischen 1822 und 1842 wurden über 60 Schulhäuser gebaut. 1900 gab es neben 199 Volksschulen zwei Bürgerschulen und je zwei Gymnasien in Bregenz und Feldkirch.

Im selben Jahr wurde die Zahl der Analphabeten auf nur mehr drei Prozent der Bevölkerung des Landes geschätzt, was weit unter dem Durchschnitt der Monarchie lag.

Die kirchliche Entwicklung

Nach der Rückkehr Vorarlbergs an Österreich kam es zur Vereinigung der seit dem Mittelalter bestehenden Aufteilung in drei verschiedene Kirchengebiete. 1816 wurden der bisher zum Bistum Chur gehörige südliche Landesteil und der Anteil des Bistums Augsburg (Hochtannberg und Kleinwalsertal) dem Bistum Brixen angeschlossen. 1819 folgte auch die nördliche Hälfte Vorarlbergs, die bis dahin zum Bistum Konstanz gehört hatte. Der Bischof von Brixen musste für das neue Generalvikariat in Feldkirch jeweils einen Generalvikar bestellen, der meist mit der Bischofswürde ausgestattet war. So ist Feldkirch seit 1820 Sitz eines Bischofs.

Der Abschluss eines Konkordates zwischen Kirche und Staat (1855) bewirkte einen neuen Aufschwung des kirchlichen Lebens, welches unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus sehr an Boden verloren hatte. Die aus der Schweiz vertriebenen Zisterzienser von Wettingen / Aargau erwarben 1854 die Reste des aufgehobenen Klosters Mehrerau, das sie wieder zum bedeutendsten Kloster des Landes ausbauten. 1856 gründeten die Jesuiten - nachdem 1773 ihre Niederlassung aufgehoben worden war - in Feldkirch das Kolleg Stella Matutina. Dieses Konvikt erlangte für mehr als 100 Jahre ein großes internationales Ansehen. Um dieselbe Zeit erfolgten die Klostergründungen in Gwiggen / Hohenweiler und Riedenburg / Bregenz. Die Partei der Liberalen erwirkte 1861 auch für Vorarlberg die Gültigkeit des vom Kaiser erlassenen Protestantenpatentes. Im Zuge der Industriegründungen waren zahlreiche evangelische Fabrikanten aus der Schweiz zugewandert. 1864 wurde in Bregenz die erste protestantische Kirche des Landes gebaut.

VORARLBERG UND DER KLASSIZISMUS

Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitete sich von Rom und Paris ausgehend eine neue Kunstauffassung, die im Gegensatz zum Spätbarock um Klarheit der Formen bemüht war. Angeregt durch die Ausgrabungen von Pompeji und die Schriften des J. J. Winckelmann griff man auf die klassischen Vorbilder der römisch-griechischen Antike zurück. Im revolutionären Frankreich fand der neue Stil rasche Verbreitung. Aber auch in den vorwiegend protestantischen deutschen Residenzen, in Skandinavien und England diente er als monumentaler Machtausdruck für den wiedererstarkten Absolutismus.

Wie schon in früheren Epochen fand der neue Stil in Vorarlberg erst verzögert - etwa um die Wende zum 19. Jahrhundert - einen ersten Niederschlag. Die Kirchenbauten von Haselstauden (1792) und St. Karl in Hohenems (1796) entsprechen in ihrem baulichen Erscheinungsbild noch der damals üblichen barocken Landkirche. In den Details sind sie jedoch schon strenger, schlichter, klarer. Klassizistische Formen fanden zunächst in der Ornamentik Verwendung.

Als klassizistische Kirchen kann man die Pfarrkirchen von Satteins (1822), Sulzberg (1828) und Wolfurt (1833) bezeichnen. Für alle drei stammen die Pläne von Alois NegreIIi, dem Planer des Suezkanals (1825 - 1832 Kreisadjunkt in Bregenz - Straßen- und Brückenbau, Rheinkorrektion). Auch die Kirche in Doren stammt aus dieser Zeit. Die Pfarrkirche Dornbirn-Oberdorf (1826) wurde 1914 verlängert und mit einer barockisierenden Westfassade versehen. Spätklassizistisch sind die Kirchen von Eichenberg (1836), Hörbranz (1840) und Hittisau (1843). Die Pfarrkirche in Nüziders erhielt 1826 eine klassizistische Fassade. Hauptwerk des Klassizismus in Vorarlberg ist die mächtige St. Martinskirche in Dornbirn-Markt mit einer ionischen Tempelfassade (1840, Bild 4).

Haupterkennungszeichen für klassizistische Kirchen sind u.a. die Halbkreisfenster (Lünettenfenster). An der Westfassade antike Dreiecksgiebel und eventuell ein Säulenportikus sind weitere Kennzeichen. Der Kirchturm stammt häufig von der Vorgängerkirche, ist teils mit barocker Zwiebelhaube ausgestattet oder wurde später verändert.

Die Innenausstattung ist in den meisten Fällen nicht klassizistisch. Teils sind Einrichtungen aus dem Barock in Verwendung, vielfach sind sie neuromanischer Art. Vereinzelt wurde inzwischen das Innere modernisiert (z.B. Wolfurt).

Klassizistische Altäre ähneln im Grundkonzept barocken Altären, sind aber klarer, einfacher und schlichter als ihre barocken Vorgänger. Ein typisches Beispiel dafür ist der Hauptaltar von Satteins.

Unter den Vorarlberger BiIdhauern dieser Zeit ragt Peter Kaufmann (1764 -1829) aus Reuthe / Bregenzerwald hervor. Er war ein Vetter der Angelika Kauffmann und gelangte - wie schon seine Vorfahren, die Bregenzerwälder Baukünstler - im Ausland zu Ruhm und Ehren. Er wirkte auf Vermittlung seiner berühmten Base 21 Jahre lang in Rom, bevor er von Großherzog Karl August an den Hof nach Weimar berufen wurde. Dort war er bis zu seinem Tod als Hofbildhauer tätig. Er schuf vor allem Bildnisbüsten bedeutender Persönlichkeiten (u.a. Goethe, Wieland, Angelika Kauffmann) aus weißem Marmor.

Die künstlerische Tradition der Bregenzerwälder Bauhandwerker setzte sich im Klassizismus in einigen bedeutenden Stuckateuren aus der Sippe Moosbrugger fort. Von Joseph Simon Moosbrugger stammt der Hochaltar der Pfarrkirche Satteins (1827). Dieser Altarbauer wirkte auch in der Stiftskirche St. Gallen. Sein Sohn Hieronymus Moosbrugger (1807 - 1858) erlangte besonders in Wien Bedeutung (klassizistische Stuckaturen u.a. im Zeremoniensaal der Hofburg; die überreichen Stuckaturen im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landhauses sind schon neomanieristisch bzw. neubarock).

Angelika Kauffmann (1741 - 1807)

Die berühmteste Malerpersönlichkeit aus Vorarlberg ist Angelika Kauffmann. Sie wurde 1741 in Chur geboren, als ihr Vater, der Wander- und Kirchenmaler Johann Joseph Kauffmann aus Schwarzenberg, am dortigen Bischofshof Auftragsarbeiten ausführte. Dieser Umstand führte dazu, dass Angelika Kauffmann in den meisten Lexikawerken als Schweizer Malerin bezeichnet wird. Sie bekannte sich jedoch zeit ihres Lebens zu ihrer Bregenzerwälder Herkunft, hielt Beziehungen zu ihrem Heimatort aufrecht und unterstützte dank ihres erarbeiteten Vermögens förderungswürdige Bregenzerwälder.

Als hart arbeitende, überaus produktive Künstlerin vermochte sie mit ihrem Liebreiz und ihrer Gewandtheit zu beeindrucken. Sie stieg in höchste Kreise der Gesellschaft auf, wurde von der Aristokratie gefördert und gefeiert und von berühmten Akademien zum Mitglied gewählt.

Künstlerisch an der Schwelle vom Rokoko zum Klassizismus stehend war sie wohl die bedeutendste weibliche Malerpersönlichkeit ihrer Zeit überhaupt. Ihre Werke sind zufolge der Internationalität der Auftraggeber und ihres Ansehens als Porträt- und Historienmalerin im 18. Jahrhundert in den großen Museen der Welt anzutreffen.

Lebensstationen

1742 - 1752: Aufenthalt im Veltlin. Der Vater erkannte früh ihre Begabung. Von der Mutter in Sprachen gefördert (Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch). Angelika war längere Zeit unschlüssig, ob sie Sängerin oder Malerin werden sollte.

1752:   Übersiedlung nach Como. Angelika porträtierte elfjährig den dortigen Bischof.

1754:   Mailand. Studium und Kopieren der alten Meister, Porträtaufträge bei Adeligen.

1757:   Tod der Mutter, zurück nach Schwarzenberg. Vater Kauffmann hatte die durch Brand zerstörte und wieder aufgebaute Pfarrkirche auszumalen. Angelika malte die 12 Apostel-Halbfiguren an den Seitenwänden (Freskotechnik).

1760:   Zweite Italienreise mit ihrem Vater. Studium der alten Meister (Mailand, Parma, Bologna, Florenz), erste Beziehungen zu England durch ihren Malerkollegen Benjamin West.

1763 - 1765: Rom. Bekanntschaft mit dem damals bedeutendsten Kunsttheoretiker J. J. Winckelmann, Annäherung an den Klassizismus - Historienmalerei (Angelika hatte ein profundes Wissen über die antike Mythologie und Geschichte), Porträtaufträge englischer Reisender.

1765:   Bologna, Venedig. Die Gattin des englischen Gesandten führte sie in die englische Aristokratie ein.

1766 - 1781: London. Als gefeierte Porträtistin und Historienmalerin auf dem Höhepunkt ihres Kunstschaffens, einziges weibliches Mitglied der eben neu gegründeten königlichen Akademie.

1781:   Verehelichung mit dem Italiener Antonio Zucchi (ebenfalls Mitglied der königlichen Akademie, Kunstmaler und Architekt). Reise nach Schwarzenberg.

1782 - 1807: Rom. Mitglied der Akademie, große Aufträge für Porträts und Historienbilder der Aristokratie (z.B. auch von Polen und Russland) Bekanntschaft mit J. W. Goethe, danach mit Johann Gottfried Herder. 1795 Tod des Gatten.

1807    verstarb Angelika in Rom, wo sie auch beigesetzt wurde. Ihr Nachlass, darunter zahlreiche ihrer Werke, ging testamentarisch an ihre Verwandten in Schwarzenberg.

KUNST DES 19. JAHRHUNDERTS

Bedingt durch die gegenläufigen Geistesströmungen und die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein Pluralismus der Stile. Die einzelne Künstlerpersönlichkeit trat nun immer mehr in den Vordergrund. Noch im 18. Jahrhundert hatte sich der Gegensatz klassisch und romantisch herausgebildet. Die geistige Bewegung der Romantik - als Gegenwirkung zur nüchternen Aufklärung und in Abkehr von den strengen Formen der Klassik - betonte Gefühl und Fantasie, Hinwendung zur Natur und Wertschätzung der eigenen Vergangenheit. Damit nährte sie den Nationalismus. Ein Hauptträger des romantischen Gedankengutes war eine schwärmerische Malerei (Landschaft, religiöse Themen, Genre-Szenen), sein architektonischer Ausdruck die Neugotik. Schon ab dem zweiten Drittel des Jahrhunderts setzten als Gegenbewegung Realismus und Naturalismus ein. Gegen Ende des Jahrhunderts ging die Entwicklung in Malerei und Plastik zum Impressionismus und Symbolismus und vor dem Ersten Weltkrieg zum großen Umbruch im Expressionismus. Die letzteren Erscheinungen hatten bis zum Ersten Weltkrieg kaum Auswirkungen auf das Kunstschaffen in Vorarlberg.

Der Historismus

Der technische Fortschritt und die Industrialisierung der Gründerzeit stellten bis dahin unbekannte neue Bauaufgaben (u.a. Fabriksanlagen, Markthallen, Bahnhöfe, Museen, Parlamente, ...). Es zeigte sich bald, dass diese mit den herkömmlichen Architekturmitteln des Klassizismus und der Gotik nicht zu bewältigen waren. In Ermangelung neuer Bauformen griff man auf den Rundbogenstil (römisch, frühchristlich, byzantinisch, romanisch) zurück. In den wirtschaftsschwachen Jahren um die Mitte des Jahrhunderts fand dieser Stil weite Verbreitung. Mit zunehmendem Repräsentationsbedürfnis verwendete man Stilformen der italienischen und deutschen Renaissance. Als Ausdruck des steigenden Wohlstandes, aber auch des franzisko-josephinischen Neoabsolutismus bzw. Konservatismus kamen im letzten Drittel des Jahrhunderts Barock und Rokoko wieder zu Ehren. Den einzelnen historischen Stilformen wurden zunächst bestimmte Anwendungsbereiche zugeordnet:

Neugotik für Parlamente, Rathäuser, national hervorgehobene Kirchen;

Neuromanik  für weniger wichtige Kirchen, für Schlösser, für wirtschafts- und heeresbezogene Gebäude;

Neurenaissance       für kulturelle Bauwerke (Theater, Opern, Museen, Schulen, staatliche Verwaltung);

Neubarock für Repräsentationsbauten des Großbürgertums, Hotels.

Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gepflegte gleichzeitige Rückgriff auf mehrere historische Stile wird Historismus genannt.

Im späten Historismus des ausgehenden Jahrhunderts wurden mehrere Nachahmungsstile im Nebeneinander oder gemischt am selben Objekt verwendet. Es kamen maurische und fernöstliche Einflüsse hinzu. Die Vorliebe für historistische Architektur reichte noch bis zum Ersten Weltkrieg, ja vereinzelt noch Jahre darüber hinaus (spätestes Beispiel in Vorarlberg: 1921/22 altes Landesregierungsgebäude, Jahnstraße-Bahnhofstraße, in neoklassizistischen Formen).

Mit der Jahrhundertwende stellten sich neuerdings romantische Züge ein. Unsymmetrische, burgenähnliche Gebäude, teils auch in Anlehnung an englische Landhäuser, werden als nationalromantisch, altdeutsch und mit Heimatstil bezeichnet. Sie sind durch verwinkelte Baukörper, Türmchen, Spitz- und Treppengiebel, Loggien, Fachwerk und Holzveranden gekennzeichnet. Typische Beispiele: Gasthof Falken in Bregenz-Vorkloster, im ganzen Rheintal und Walgau eine Vielzahl von Villen und bürgerlichen Wohnhäusern aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (z.B. am Ardetzenberg in Feldkirch). Im ersten Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende wurde der Historismus vorübergehend vom Jugendstil überlagert (auf den Jugendstil wird in der Bildreihe über das 20. Jahrhundert näher eingegangen).

Historistische Architektur in Vorarlberg

Bedingt durch die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung wurde im 19. Jahrhundert viel gebaut, besonders ab der zweiten Gründerphase. Der Wohnbau hielt dabei mit der Bevölkerungsexplosion nicht Schritt (es entstanden die ersten Arbeitermiethäuser und Werkssiedlungen, z.B. Hämmerle-Kolonie in Feldkirch-Gisingen).

Für den Kirchenbau war zunächst der neuromanische Stil vorgesehen. Er erwies sich in den wirtschaftsschwachen Jahren nach der Jahrhundertmitte als kostengünstiger und angemessener. In den Zeiten der großen Wirtschaftsblüte um die Jahrhundertwende wurden Kirchenneubauten im neugotischen Stil ausgeführt, in einigen Fällen sogar im neubarocken Stil.

Neuromanische Kirchen:

Hervorzuheben sind die Pfarrkirchen von Hatlerdorf (1860), Götzis (1862), Schruns (1865, Bild 5), Alberschwende (1854), Lauterach (1878). Weitere neuromanische Kirchen stehen in Lochau, Hard, Feldkirch-Gisingen, Gaschurn, Schröcken, Riezlern, Warth u.a.m. Sehr späte Beispiele sind die Klosterkirche Gwiggen/Hohenweiler (1895) und die Pfarrkirche in Sulz (1903).

Neugotische Kirchen:

Die ersten neugotischen Kirchen in Vorarlberg waren die evangelische Kirche in Bregenz und die Klosterkirche von Sacre Coeur Riedenburg (beide 1862 begonnen).

Die bedeutendsten sind die Pfarrkirchen von Frastanz (1885, Plan von Friedrich v. Schmidt, dem Erbauer des Wiener Rathauses), Schwarzach (1901) und Herz Jesu in Bregenz (1905, Bild 6).

Weiters wurden im neugotischen Stil erbaut die Pfarrkirchen von Weiler (1875, ebenfalls von Friedrich v. Schmidt), Egg, Kennelbach, Gaißau, Fraxern, Meschach/Götzis, Innerlaterns und Silbertal.

Neubarocke Kirchen:

Die Pfarrkirchen in Koblach (1905), Bezau (1907), Höchst (1908) und die Kirche im Gallusstift in Bregenz (1910 - ein Zentralbau mit Jugendstileinflüssen, heute Landesbibliothek).

Während die meisten der neubarocken und neugotischen Kirchen im Innern stilistisch erhalten geblieben sind, wurden einige neuromanische Gotteshäuser innen modern verändert (z.B. Sulz).

Die neugotische Kunstauffassung sah ihre Aufgabe auch darin, wo irgend möglich alte Gotik wiederherzustellen, aufzufrischen und zu erneuern ( Fertigstellung von Kölner Dom und Ulmer Münster!). So wurden einige ehemals barockisierte gotische Kirchen wieder regotisiert (z.B. Laterns-Thal). Im Feldkircher Dom wurden einige Umbauten vorgenommen, u.a. auch neugotische Altäre errichtet.

Profane historistische Gebäude:

Ab der Mitte des Jahrhunderts errichteten die Fabrikanten - gleichsam als Gegenstücke zu den Ansitzen und Schlösschen der Adeligen und Patrizier früherer Zeiten - Villen in historistischen Stilformen. Diese Villenbauten waren von parkartigen Grünflächen in der Art englischer Gärten umgeben teils mit gusseisernen Einfriedungen.

Beispiele:

Villa Gülich (1848), das heutige Palais Thurn und Taxis in Bregenz, Rosenthal-Villa (1843), Schweizerstr. Nr. 1, Hohenems, Villa Mutter (1855), Reichsstraße Nr. 170, Feldkirch.

In der Folge entstanden ganze Villenviertel in Feldkirch (Bahnhofstraße-Reichsstraße, Bild 7), in Dornbirn (Dr. Waibelstraße, Oberdorf), in Bludenz (Werdenberger Str., Alte Landstr.), in Bregenz (Römerstr. und Belruptstr.). Zahlreiche Villen finden sich an verstreuten Einzelstandorten, zu erwähnen die Villa Grünau (Schindler-Villa) in Kennelbach. Die streng historistischen Villen zeigen sich in Stilformen der Renaissance, die um die Jahrhundertwende erbauten späthistoristischen Villen sind durch romantisierende Mischstile gekennzeichnet.

Eine Besonderheit stellt die in neubarockem Stil errichtete Schlossvilla des Grafen Raczynski in Bregenz Marienberg dar (Bild 8). Neubarock ist auch das ehemalige Internat Stella Matutina mit Internatskapelle (1899) in Feldkirch (heute Landeskonservatorium).

Öffentliche Gebäude wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert im so genannten k.u.k. Baudirektionsstil errichtet, der in der ganzen Monarchie Gültigkeit hatte und sich in Neurenaissanceformen präsentierte.

Beispiele hierfür sind das Postamt und die Bezirkshauptmannschaft in Bregenz sowie die Volksschulen Bludenz-Mitte und Feldkirch-Hirschgraben. Nach der Jahrhundertwende entstand das Gebäude der Realschule in Dornbirn.

Mit solchen blockhaften Gebäuden lehnte man sich an Paläste der italienischen Renaissance an.

Europaweit waren die städtischen historistischen Häuserfassaden gekennzeichnet z.B. durch Gesimsbänder, imitierte Rustikaquaderung im Sockelbereich, Pilastergliederung, Fensterverdachungen in Dreiecks- und Segmentgiebelform u.a.m. Bei uns tragen besonders Verbauungen, die im Zusammenhang mit Bahnhofsanlagen entstanden sind, solche Kennzeichen. Bregenz verfügt über die meisten historistischen Straßenfassaden (Quellenstraße, Kaiserstraße - Kirchstraße - Römerstraße, Anton Schneiderstraße), aber auch in Feldkirch (Bahnhofstraße - Ecke Bahnhof, am Domplatz, Eckhaus Markstraße-Kreuzgasse) und in Dornbirn (gegenüber dem Bahnhof) sind sie noch vertreten.

Der Fabriksbau stellte neue Aufgaben. Die Mechanisierung in der ersten Gründerphase verlangte nach großen, übereinander liegenden Fabrikationssälen. In dieser Zeit wurden in unserem Land die bis dahin größten Hochbauten errichtet. Von den vier bis sieben Stockwerke hohen Fabriksgebäuden existieren noch Beispiele in Kennelbach, Dornbirn, Rankweil, Feldkirch, Frastanz, Nenzing und Bürs. Letzteres wird von Getzner, Mutter & Cie. als Spinnerei und Weberei heute noch benützt. Dieser 1836 errichtete Industriehochbau ist der größte dieser Art im Land.

In der zweiten Gründerzeit entstanden zunächst noch einige Fabriksschlösser mit repräsentativen Schaufronten (im Jahre 1870 Getzner, Mutter & Cie. in Bludenz und 1892 die Wirkwarenfabrik Benger in Bregenz mit neugotischer Schlossfassade und Eckturm).

Dann setzte sich der englische Flachbau mit Sheddach durch. Beispiele hierfür finden sich in Bludenz-Bleiche, in Feldkirch-Gisingen und in Hard (Vorarlberger Kammgarnspinnerei).

Plastik im 19. Jahrhundert

Die Bildhauerei des Klassizismus bevorzugte den unfarbig weißen Marmor nach Vorbildern der antiken Statuenfunde. In den späteren Jahrzehnten machten sich auch romantische (in Anlehnung an die Nazarener), realistische, aber auch historistische Einflüsse wie der Neubarock bemerkbar. Unter den Bildhauern setzte man in Vorarlberg große Hoffnungen in die Bezauerin Katharina FeIder (1816 - 1848) doch sie verstarb allzu früh in Berlin. Hervorzuheben ist Georg Feurstein (1840 - 1904, Bild 9), ebenfalls aus Bezau. Er schuf seine Werke hauptsächlich in Rom, ebenso wie der Feldkircher Bildhauer Hermann Mayer (1849 - 1912), von dem zwei überlebensgroße Marmorstatuen seit 1882 im Park der Tschavoll-Villa auf dem Margarethenkapf in Feldkirch stehen (weitere Werke auf den Friedhöfen von Bludenz und Feldkirch). Gebhard Moosbrugger (1861 -1922) aus Schoppernau war Holzbildhauer und arbeitete ab 1899 in Hopfreben.

Nach der Jahrhundertwende wurden einige Denkmalfiguren in Bronzeguss geschaffen, z.B. das Bernhard-Riedmiller-Denkmal, Bludenz, Werdenbergerstraße und das Anton-Schneider-Denkmal, Bregenz, Seestraße (beide von Georg Matt aus Bregenz).

Im Übrigen wurde für die vielen neuromanischen, neugotischen und neubarocken Altäre eine Vielzahl von Holzskulpturen geschaffen. In diesem Zusammenhang ist Fidelis Rudhart aus Altenstadt zu erwähnen. Er schuf den neugotischen Marienaltar in der Feldkircher Domkirche. Auch alle neugotischen Altäre in Frastanz, Fraxern und Laterns-Thal sowie die neuromanischen in Schröcken stammen von ihm. Bedeutende Importe für die Kirchenausstattungen kamen aus Südtirol (Grödnertal).

Malerei im 19. Jahrhundert

Auch die Malerei des 19. Jahrhunderts bietet kein einheitliches Bild mehr. Im Wesentlichen lassen sich aber doch drei Bereiche erkennen: die Nazarener-Malerei, die Biedermeier-Malerei und die realistische Malerei.

Nazarener-Malerei

Aus Protest gegen die in Kompositionsformeln erstarrte klassizistische Kunst an den Akademien und als Reaktion auf die Religionsfeindlichkeit der Aufklärung und der Säkularisation versuchten zu Beginn des Jahrhunderts romantische Maler aus dem deutschsprachigen Raum, die Malkunst im Dienste der christlichen Religion zu erneuern. Getragen vom Gedankengut der Romantik besannen sie sich auf die Malerei der Frührenaissance (Giotto bis Raffael) und auf das Vorbild Dürers. Eine Gruppe um Friedrich Overbeck und Franz Pforr gründete 1809 nach Art religiöser Bruderschaften einen Künstlerbund, den Lukasbund, der bis 1830 in Rom bestand. Die Künstler lebten und arbeiteten gemeinsam in einem ehemaligen Kloster und unterzogen sich einem streng religiösen Lebenswandel. Nach ihrer Haartracht und Gewandung (Christusbild Dürers) wurden sie spöttischerweise Nazarener genannt.

Diesem Bund schlossen sich zahlreiche bedeutende Maler jener Zeit an (u.a. Peter Cornelius, Joseph Führich, Joseph Anton Koch). Ihre Malweise übte großen Einfluss auf die religiöse Malerei des ganzen 19. Jahrhunderts aus (siehe beispielsweise die heute noch erhaltene komplette nazarenische Ausmalung von 1890/92 in der Pfarrkirche St. Leopold in Dornbirn-Hatlerdorf).

Verwandt mit den Nazarenern waren in England die Präraffaeliten.

Biedermeier-Malerei, Realismus

Das Biedermeier - als der kulturelle Ausdruck der Zeit des bürgerlichen Vormärz - wandelte den Empire-Stil des Klassizismus zu nüchterner Zweckmäßigkeit bei gleichzeitig gegebener Wohnlichkeit. Die Wohnkultur des Biedermeier fand auch Eingang in das gehobene Bürgertum Vorarlbergs, das sich insbesondere in den Fabrikantenhäusern der ersten Industriegründerwelle etablierte.

Die Maler wandten sich der Realität zu, d.h. der intimen Welt des Bürgertums, und schufen zahllose Porträts, Landschaften, Genrebilder, Stillleben und Naturbetrachtungen. Die Biedermeier-Malerei beeinflusste die bürgerliche Malerei noch während des ganzen Jahrhunderts (Vorbilder: Waldmüller, Schwind, Spitzweg, Richter).

Bedingt durch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen setzten sich ab der Jahrhundertmitte immer mehr Maler mit den Erscheinungen der Arbeitswelt auseinander. Sowohl die sozialen Verhältnisse auf dem Land als auch die Bedingungen der industrialisierten Städte erweckten ihr Interesse. Sie malten wirklichkeitsgetreu und naturnah, aber nicht unbedingt naturalistisch (Vorbilder: Gustave Courbet, Jean-François Millet, Wilhelm Leibl, Adolph Menzel, Rudolf von Alt).

Aus dem 19. Jahrhundert ließe sich eine Fülle von Vorarlberger Malerpersönlichkeiten anführen. Die meisten kamen - wie schon die Künstler früherer Zeiten - durch ihr Schaffen außerhalb des Landes zu Ehren.

Der bedeutendste Vorarlberger Maler des 19. Jahrhunderts war Gebhard FIatz (1800 - 1881, Bild 10). Er schuf viele Altarblätter und Heiligenbilder im Nazarenerstil, aber auch an die 150 Porträts. Letztere befinden sich vor allem in Tirol.

Die Aufträge für Bilder von Flatz reichten von Trient über Kiew nach Petersburg, genauso wie über Wien, Innsbruck, Paris nach London und Liverpool. Er teilte mit dem gealterten Overbeck den Ruhm, zu den ausgezeichnetsten Malern seiner Zeit auf religiösem Gebiet zu zählen.

Lebensstationen

1800: in Wolfurt geboren, ärmliche Verhältnisse, früher Tod des Vaters.

1816 - 1827: klassizistische Ausbildung in Wien.

1827 - 1829: nach einer Begegnung mit dem Nazarener Cornelius in München Aufenthalt in Bregenz.

1829 - 1833: in Innsbruck (über 100 Porträts).

1833 - 1838: Aufenthalt in Rom, Anschluss an den Nazarenerkreis unter Overbeck (der Lukasbund hatte nur bis 1830 bestanden).

1838 - 1840: nach Verehelichung Wohnsitz in Innsbruck.

1840 - 1871: reichste Schaffensperiode in Rom (1840 Tod der Gattin, 1846 Tod des hoffnungsvollen Schülers Jakob Fink aus Schwarzenberg).

1871 - 1881: Lebensabend in Bregenz

Freund und zeitweiliger Wegbegleiter von Gebhard Flatz war der Bregenzer Bildnismaler Liberat Hundertpfund (1806 - 1878). Er hatte einige Zeit gemeinsam mit Flatz ein Atelier in Innsbruck. In München genoss er eine weitere Ausbildung für Historienmalerei und religiöse Malerei. Er schuf auch viele Bilder religiösen Inhalts. Fast 40 Jahre wirkte er in Augsburg, wo er auch ein theoretisches Werk zur Maltechnik verfasste. In seinen letzten Jahren, die er in Bregenz verbrachte, entstand u.a. das Porträt des Gebhard Flatz (Vorarlberger Landesmuseum).

Josef Buchner (1820 - 1883) aus Feldkirch war ein Schüler Hundertpfunds. Er schloss sich der nazarenischen Richtung des Wiener Prof. Führich an. Neben Aufenthalten in Wien, Frankfurt/Main, Venedig und Rom wirkte er längere Zeit im Lande. Außer seinen Porträts sind großformatige Altarbilder bekannt (Hittisau, Thüringen, Nenzing, Blons), aber auch kleine romantische Landschaften in Pastelltechnik.

Vorwiegend im Ausland tätig war Johann Konrad Dorner (1809 - 1866) aus Egg. Er wurde Mitglied der Akademie in Petersburg und schloss sich in späteren Jahren den Nazarenern in Rom an, wo er auch verstarb. Joseph Anton Rhomberg (1786 - 1855) aus Dornbirn hinterließ ca. 500 Werke der Historien-, Genre- und Porträtmalerei. Sein Vater war schon Kunstmaler, und seine beiden Söhne schlugen ebenfalls eine künstlerische Laufbahn ein. Er wirkte hauptsächlich in München, wo er Professor wurde (Ölgemälde der ehemaligen Seitenaltäre in St. Martin, Dornbirn). Franz Xaver BobIeter (1800 - 1869) aus Feldkirch erlangte besonders als Porträtist Bedeutung (Bild 11).

Die Brüder Anton (1818 - 1884) und Johann Boch (1826 - 1879) in Bregenz waren talentierte Porträtisten, malten aber auch religiöse Bilder. Eine ganze Dynastie stellten die Künstler der aus Tirol stammenden Malerfamilie JehIy in Bludenz dar. Unter ihnen ist heute noch am bekanntesten Jakob JehIy (1854 - 1897, Bild 12).

Josef Reich (1869 - 1927) aus Bezau wirkte hauptsächlich außer Landes. Obwohl sein Schaffen schon ins 20. Jahrhundert reichte, ist in seinen Werken noch das Nachwirken der Nazarener-Malerei spürbar (Altarbilder in Au, Bizau, Mittelberg, Kreuzwegstationen in Bezau).

Der Wolfurter Louis Letsch (1856 - 1940) machte sich einen Namen durch seine Blumenbilder. Er wirkte die meiste Zeit in Paris und im Elsass. Zahlreiche seiner Werke befinden sich in Vorarlberger Privatbesitz.

Von den auswärtigen Malern, die in Vorarlberg mehrfach Werke hinterlassen haben, sollen zwei genannt werden: Der Tiroler Historienmaler Franz PIattner schuf 1876/77 die Deckenfresken im Langhaus der Pfarrkirche St. Martin, Dornbirn. Am beliebtesten war der Schweizer Kirchenmaler Melchior Paul Deschwanden (1811 - 1881) aus Stans/Vierwaldstätter See. Seine meist religiösen Gemälde nach der Art der Nazarener sind weich und malerisch. Von den ca. 2 000 Bildern befindet sich eine ganze Reihe in Vorarlberg (Altarbilder in Alberschwende, Krumbach, Schnepfau, Schröcken, Mittelberg-Baad, Düns, Nüziders, St. Laurentius und Kapuzinerkirche in Bludenz, St. Anton im Montafon, Kloster Mehrerau). Seine Motive dienten auch vielfach einheimischen Malern als Vorlage.

Mobiliar und Kunsthandwerk waren im 19. Jahrhundert weitgehend historistisch geprägt. Neben Arbeiten im sachlichen Biedermeierstil wurde häufig im Sinne des Historismus auf Älteres zurückgegriffen (z.B. Altdeutsch, Neurenaissance). Neue Formen brachten die Thonet-Möbel (Bugholzverfahren). Erstmals erwuchs dem Kunstgewerbe in den maschinell erzeugten Massenwaren eine breite Konkurrenz.

FACHAUSDRÜCKE

Englischer Garten:

Als Gegenbewegung zum Französischen Barockgarten entwickelte sich in England im ausgehenden 18. Jahrhundert der Landschaftsgarten. Die Landschaft wurde möglichst naturbelassen. Die Grenzen zwischen Gestaltungseingriffen und freier Landschaft wurden bewusst verwischt.

Genrebild:

Malerische Darstellung von Szenen aus dem Alltagsleben, die das typische Verhalten zeitgenössischer Personen in ihrem beruflichen, gesellschaftlichen oder persönlichen Umfeld zeigen, auch Sittenbild genannt, im 19. Jahrhundert besonders beliebt (z.B. Waldmüller: Die Reisigsammler im Wienerwald).

Historienmalerei:

Gattung der Malerei, die geschichtliche Ereignisse, aber auch sagenhafte und dichterische Themen zum Inhalt hat. Im Unterschied zur Geschichtsmalerei kommt es hier nicht auf historische Treue an. Den Höhepunkt erfuhr die Historienmalerei im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem aufkommenden Nationalismus.

Portikus:

Eine von Säulen, seltener von Pfeilern getragene Vorhalle vor der Hauptfront eines Gebäudes, häufig mit Dreiecksgiebel, typisch für den Klassizismus.

Sheddach:

Dachform aus parallelen Satteldächern, deren steilere Flächen verglast sind - Lichteinfall von oben, besonders bei Fabriken und Ausstellungshallen seit Ende des 19. Jahrhunderts in Verwendung.

Impressionismus:

Kunstrichtung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die den Augenblickseindruck festhält und bei der im Gegensatz zur bis dahin herrschenden akademischen Malweise nicht im Atelier, sondern vor der Natur im Freien gearbeitet wird. Das Spiel von duftigen Licht- und Farbeindrücken spielt dabei eine Hauptrolle. Diese Stilrichtung nahm von Frankreich ihren Ausgang und verbreitete sich über ganz Europa (Claude Monet, Edgar Degas, Auguste Renoir, Alfred Sisley, Max Liebermann, Lovis Corinth, der Bildhauer Auguste Rodin u.a.).

Symbolismus:

Geistige Strömung im 19. Jahrhundert, besonders in Dichtung und Malerei, die sich in Gegensatz zu rationalistischen, realistischen und naturalistischen Tendenzen stellte. Sie versuchte die Welten des Gefühls, der Fantasie und des Traums wiederzugeben. Die Hauptaufgabe wurde im Darstellen von Stimmungen und Seelenzuständen gesehen. Sie kam in der Malerei etwa ab 1885 in einer Künstlergruppe um Paul Gauguin, dann bei Ferdinand Hodler und Alfred Kubin zum Ausdruck. Der Symbolismus war mit ein Wegbereiter für den Jugendstil und die moderne Kunst.

Expressionismus:

Ausdruckskunst vor allem deutscher Künstler, die geistig-seelische Inhalte in energisch vereinfachter Form darstellt (Steigerung des Ausdrucks mit allen Mitteln, kubistische Formen bis hin zur Abstraktion, ungebrochene Farben in großen Flächen). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertreten durch die Künstlergemeinschaften Die Brücke, Der blaue Reiter, den Wiener Expressionismus u.a., in Frankreich durch die Fauves (= die Wilden).

Weitere Begriffserklärungen siehe Texte zu Gotik, Renaissance und  Barock!

Verwendete Literatur für Fachausdrücke:

Koch Wilfried: Baustilkunde, Orbis Verlag, München, 1988

Koepf Hans: Bildwörterbuch der Architektur, Kröner Verlag, Stuttgart, 1985

Der Kunst-Brockhaus, F. A. Brockhaus, Wiesbaden, 1983

Literaturhinweise

llg Karl, Landes- und Volkskunde, Geschichte, Wirtschaft und Kunst Vorarlbergs, Bd. IV Die Kunst, Universitätsverlag Wagner - Innsbruck, 1967

Bilgeri Benedikt, Geschichte Vorarlbergs, Bd. IV, Böhlau, Wien-Köln-Graz, 1982

Burmeister Karl Heinz, Geschichte Vorarlbergs - Ein Überblick, Verlag für Geschichte und Politik, Wien, 3. Auflage 1989

Schwarz Artur, Heimatkunde von Vorarlberg, Eugen-Ruß-Verlag, Bregenz, 1949

Lehrerarbeitskreis für Heimatkunde im Unterricht, Land Vorarlberg - eine Dokumentation, Eugen-Ruß-Verlag, Bregenz, 1988

DEHIO Vorarlberg, Schroll & Co., Wien, 1983

Mignot Claude, Architektur des 19. Jahrhunderts, DVA Stuttgart, 1983

Gert von der Osten, Plastik seit 1800 in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster, Königstein im Taunus, 1961

Wanner Gerhard, Vorarlbergs Industriegeschichte, Verein Vorarlberger Industriegeschichte, Feldkirch, 1990

Jussel/Wilhelm, Jakob Jehly, Eigenverlag, Bludesch, 1989

Angelika Kauffmann und ihre Zeitgenossen - Grafik und Zeichnungen 1760 - 1810, C. G. Boemer, Düsseldorf, 1979

Hammer Sabine, Angelika Kauffmann, Art & Edition Haas, Vaduz, 1987

Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums Nr. 78: Kunst und Kultur von der Steinzeit zur Gegenwart, 1978

Ausstellungskatalog Bregenz - Wien, 1968/69: Angelika Kauffmann und ihre Zeitgenossen

Ausstellungskatalog: Die Nazarener in Rom - Ein deutscher Künstlerbund der Romantik, Prestel-Verlag, München, 1981

Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums, 1987: Porträts (1780 - 1980)

Ausstellungskatalog: Gebhard Flatz, Marktgemeinde Wolfurt, Bregenz, 1982

Felder Anton, Joh. Georg Feurstein - Bildhauerkünstler aus Reuthe, in Bregenzerwald-Heft, Jg. 2 - 1983

Reckefuß-Kleiner Hedwig, Marienberg im Wandel der Zeit, in Vorarlberger Volkskalender 1992

Kleiner Kunstführer: Herz-Jesu Bregenz Verlag Schnell & Steiner, München - Zürich, 1981

Kleiner Kunstführer: Die katholischen Kirchen der Stadt Dornbirn/Vorarlberg, Verlag Schnell & Steiner, München - Zürich, 1979

Schrunser Pfarrkirche, Herausgeber Pfarre St. Jodok, Schruns

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