Diese ist ein Auszug aus Brigitte Ortner: Alternative Lehrmethoden im Fremdsprachenunterricht; Hueber Verlag 1997
James J. Asher
, Professor für Psychologie an der San Jose State University in Kalifornien, begann 1963 mit dem Versuch, amerikanischen Kindern und Erwachsenen das Japanische beizubringen. Sein Interesse war es, effektivere Wege zum Fremdsprachen-Lernen zu
finden, als sie der Audio-Lingualismus anzubieten hatte. Unterstützt und (finanziell) gefordert vom Forschungsbüro der Kriegsmarine, entstand aus seinen Versuchen auf der Basis einer Theorie des Verhaltens, die er in Lernstrategien umsetzte, die Methode des Total Physical
Response.
Asher, James J.: Learning Another Language through Actions: The Complete Teacher's Guidebook. Los Gatos, Sky Oaks Productions1977.
In den ersten 5 Durchgängen agiert die Lehrperson ohne Verzögerung auf den Befehl, sodass die Lernenden sie imitieren können. In den zweiten 5 Durchgängen
achtet die Lehrperson darauf, dass ihre Aktion etwas verzögert einsetzt, sodass die Lernenden ohne ihn Bewegungsvorbild auf den sprachlichen Befehl reagieren müssen.
Die erste Unterrichtseinheit besteht aus sieben bis zehn solcher Ein-Wort-Befehle in der jeweils zu lernenden Fremdsprache. Der ersten Lektion folgt ein individueller Behaltens-Test, bei den die Lernenden
einzeln auf die nun in neuer Reihenfolge gegebenen, aus der Unterrichtseinheit bekannten Befehle physisch korrekt antworten müssen. Dieser Test gilt gleichzeitig als Übung.
Setzt die Lehrperson voraus oder hat sie überprüft, dass alle Befehle von allen Lernenden verstanden sind, so erweitert sie in einer zweiten Einheit die
Ein-Wort-Befehle zu kurzen Befehlssätzen. Inhalt und Bedeutung der Befehle beziehen sich auf den Aktionsradius Klassenraum. „Geh zur Türe. Geh zum Fenster. Lauf zur Türe. Lauf zum Fenster.' Auch hier werden die Befehle wiederholt gegeben und jedes Mal von den Lernenden
ausgeführt. Die Häufigkeit der Wiederholung der einzelnen Befehle oder ganzer Befehlsgruppen reduziert man progressiv von Einheit zu Einheit, bis jeder auch noch so lange Befehl nur mehr einmal gegeben wird.
Der sprachliche Input wird sukzessive längenmäßig ausgedehnt. In einer von Asher beschriebenen Abfolge von Unterrichtseinheiten wurde in der vierten Einheit
von je etwa 7 bis 20 Minuten Länge bereits „Geh zur Türe, heb den Bleistift auf, leg ihn auf den Tisch und setz dich auf deinen Sessel" in einem ausgeführt. Auf der Ebene der konkreten Handlungen sind der Lange solcher einfachen Befehlsreihen keine Grenzen gesetzt.
Die sprachlichen Befehle werden von den Lernenden einzeln, in Kleingruppen oder in größeren Gruppen in motorische Aktivitäten umgesetzt. Die Lehrperson
erweitert den .Text' sukzessive auf einfache, situativ der Klassenraumumgebung angepasste Fragen: , Wo ist die Tafel?1 Die Lernenden können nonverbal reagieren.
Die Lernenden sprechen in den Anfangsphasen des TPR-Unterrichts nicht. In
späteren Kursphasen übernehmen sie freiwillig, „wenn sie dazu bereit sind", die Rolle
TPR hat mittlerweile in viele andere Methoden Eingang gefunden. Namentlich nehmen der ACT-Ansatz sowie der Natural Approach auf ihn Bezug. TPR wird vor allem für
den Anfangsunterricht und für die Präsentation von neuer Lexik empfohlen. Asher hat in seinen , „Field Tests" eine Überlegenheit der TPR-Methode gegenüber dem audio-lingualen Lernsetting empirisch nachzuweisen versucht.
Gedanken über die Natur der Sprache, oder über jene Aspekte von Sprache, die die Total Physical Response-Methode zum Gegenstand von Unterricht macht, sind in
Ashers zahlreichen Veröffentlichungen nicht zu finden.
Vokabeln und ihre grammatikgeleitete Einbettung in zielkonforme fremdsprachliche Äußerungen mit Befehlsfunktion sind der sprachliche Gegenstand des TPR.
Die Fremdsprache tritt in Form von "chunks" auf, wird in solchen präsentiert und als solche internalisiert. Diese "chunks"
ermöglichen nicht nur die Aneignung von mehr Sprache in gegebener Zeit, so die Annahme, sie sind auch Basis für die Etablierung der Kognitive maps für die Fremdsprache im Lernergehirn. "As the code is internalized, it acts as an 'advanced organizer' to facilitate the storage of Information.
Asher/Kusudo/de la Torre: Learning a Second Language Through Commands: The Second Field Test." In: Oller, John W.: Methods That Work. Ideas for üteracy and Language Teachers. Heinle
& Heinle, Boston/Mass. 1993., S. 20
Ein Blick in TPR-Textkorpora zeigt Folgendes: Steh auf; Geh; Dreh dich um; Setz dich hin! öffne das Fenster; Schließ die Tür; Leg den Bleistift auf den Tisch!
Schließ die Tür und setz dich hin; Öffne das Fenster und setz dich hin! Um das Verb konstruierte Einzelbausteine der Fremdsprache werden in einer ersten Progression additiv aneinandergereiht, in einem nächsten Schritt temporal oder konditional verbunden: Wenn x die Türe öffnet,
dann schließ das Fenster; Wenn a aufsteht, setz dich hin.
Das Lernkonzept des TPR leitet sich aus Positionen der Verhaltenspsychologie ab, den kindlichen muttersprachlichen-Erwerb als eine Stimulus-Response-Abfolge deuten wobei ein verbaler Stimulus eine physische Aktion auslöst. Anhand zahlreicher empirischer Untersuchungen versucht Asher nachzuweisen, dass die direkte, physische Involviertheit, die er im sogenannten Motorlernen für gegeben halt, zu einer besseren kurz- sowie langfristigen Behaltensleistung und daher zu schnellerem Fremdsprachen-Erwerb führe. Durch den Einsatz physischer Antworten werde zudem Stress abgebaut, die Motivation und das Selbstvertrauen erhöhe sich.
von Befehlserteilenden oder Fragenden. Lehrende und Lernende führen die Aktivitäten aus. Neue Wörter werden mit einem Beispielsatz an die Tafel geschrieben, von
der Lehrperson .vorgespielt', die Lernenden schauen zu und schreiben, wenn sie das wollen, den Tafelanschrieb in ihr Heft.
TPR hat mittlerweile in viele andere Methoden Eingang gefunden. Namentlich nehmen der ACT-Ansatz sowie der Natural Approach auf ihn Bezug. TPR wird vor allem für
den Anfangsunterricht und für die Präsentation von neuer Lexik empfohlen. Asher hat in seinen , „Field Tests" eine Überlegenheit der TPR-Methode gegenüber dem audio-lingualen Lernsetting empirisch nachzuweisen versucht.
Lehren heißt der Sprache ihre Komplexität nehmen, sie auf anfangs einfache .chunks1, konkretisiert in fremdsprachliche Befehlen zu begrenzen und sie im
fortschreitenden Hörkontakt behutsam zu erweitern.
Das herkömmliche Fremdsprachen-Lehrprogramm, Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben gleichzeitig zu lehren, halt Asher für zu ehrgeizig, ja kontraproduktiv für
effektives Lernen. Der Akt des Lehrens auf TPR-Weise konzentriert sich auf eine Fertigkeit. Im Anfangsstadium ist dies das Hörverstehen.
Außer einer Betonung von stressfreier Atmosphäre als Voraussetzung für erfolgreiches Fremdsprachen-Lernen sowie der Forderung nach möglichst beweglichem
Mobiliar in den Unterrichtsräumen finden sich keine Angaben zu Gestaltung und Stellenwert sprachunterrichtlichen Kontexts. Stressfreiheit sieht man in TPR-Kursen durch die physischen Aktivitäten beim Umsetzen der Befehle gegeben. Mit Hilfe von unerwarteten, die Konvention
sprengenden Befehlen (.Spring auf den Tisch!1) wird Heiterkeit und dadurch Entspannung hergestellt, so die Annahme.
Die Total Physical Response-Methode verweist auf die mündliche Sprachkompetenz als allgemeines Ziel. Lernende sollen in die Lage versetzt werden, in ihrer
Fremdsprache ungehindert und verständlich kommunizieren zu können.
Fremdsprachliche Befehle, die die Lehrperson formuliert und deren Bedeutung sie
Fremdsprachliche Befehle werden in zügiger Folge aneinandergereiht von der Lehrperson artikuliert und von dieser in körperliche Aktion umgesetzt. Befehle werden bei Nicht-Verstehen
wiederholt. Die Reihenfolge der Befehle wird geändert. Neue Befehle werden an die Tafel geschrieben.
Dia-Präsentationen und Bildmaterial sind der Stoff für Lehrererzählungen und bilden den Ausgangspunkt für Befehle und Fragen der Lehrperson an die Lernenden.
Die Lernenden hören anfangs zu und setzen die von der Lehrperson erteilten und vorgezeigten Befehle in der Fremdsprache in körperliche Bewegung um. Sie tun dies sowohl einzeln als auch in
Gruppen. Anfangs imitieren die Lernenden das Bewegungsvorbild der Lehrperson. Später setzt man eigenständiges Verstehen der neuen Fremdsprachen-Teilelemente voraus und erwartet folgerichtig eigenständige Umsetzung von Befehlsinhalten.
Die Eigenständigkeit der Lernenden wird durch Neuzusammensetzung bereits als bekannt vorausgesetzter Imperative überprüft und sukzessive aufgebaut. ,Geh zum Tisch. Setz dich auf den
Sessel.' wird neu kombiniert zu ,Geh zum Sessel und setz dich auf den Tisch'.
Lernende überwachen ihren Lernfortschritt selbst. Sie sprechen, wenn sie sich dazu innerlich bereit führen. Dann stellen sie Fragen oder übernehmen die Lehrerrolle, indem sie sich selbst
Befehle geben, die die Mitlernenden wiederum ausführen.
Sie haben keinen Einfluss auf den Inhalt einer Lektion, die aus lehrerseitig | gewährten Imperativen besteht.
Sie haben eine uneingeschränkt steuernde und leitende Funktion im TPR-Kurs. Asher vergleicht sie mit Regisseuren im Theater, die das Stück auswählen und den Schauspielern genaueste
Anweisungen für die Inszenierung geben. Der Ablauf der Unterrichtseinheiten wird von ihnen im Detail vorausgeplant. Damit der Unterricht schnell und flüssig vonstatten gehen kann, braucht die Lehrperson eine exakte Planung ihrer sprachlichen Inputs im Voraus.
"It is wise to write out the exact utterances... Because the action is so fast-moving there is usually not time... to create spontaneously".
Jede Aktion im Klassenraum trägt die Handschrift der Lehrperson. Die Interaktionen der Lernenden sind von den Lehrenden inhaltlich und organisatorisch gesteuert.
Das Material eines TPR-Anfängerkurses sind Imperative, die im Klassenraum umsetzbare Aktionen zum Inhalt haben. Die Befehle werden in der Regel von der Lehrperson
gesprochen. Sie sind nicht schriftlich fixiert.
In späteren Phasen gewinnen Realia, Bilder, Diapositive und Wortkärtchen an
Nimm die Cornflakes aus dem Regal und leg sie in den Einkaufswagen. "Stell den
Auch Lernertextbücher und Lehrerhandbücher mit Overheadfolien sowie Audio-
Sprachsystematische Fehler sind Fehler und müssen daher von den Lehrenden korrigiert werden. Jedoch wird der methodengemäße Umgang mit Fehlern aus der
L1-Erwerbssituation abgeleitet. Eltern, so beobachtet man, korrigieren ihre Kinder kaum. Diese Vorgangsweise wird im Rahmen des TPR auf den L2-Erwerbskontext übertragen, und es wird argumentiert, dass im Kontext des Anfangsunterrichts die ganze Aufmerksamkeit der Lernenden auf
das Verstehen gerichtet sei. Für die Aufnahme von Lehrerkorrektur bleiben keine Kapazitäten frei. Lehrende sind daher angehalten, am Beginn der- individuell unterschiedlichen Produktionsphasen - wenig bis gar nicht zu korrigieren.
Mit zunehmender Internalisierung der L2 durch die einzelnen Lernenden werden, so postuliert man, Kapazitäten frei und die Lernenden können die nun verstärkt
einsetzenden Lehrerkorrekturen aufnehmen.
Prinzipiell gilt, dass der anfangs weite Spielraum für unkorrigierte Lernerfehler, die das Sprachsystem betreffen, mit fortschreitendem Unterricht zunehmend
begrenzt werden kann und muss.
In der Anfangsphase, in der die Lernenden noch nicht sprechen, werden Lehrerkorrekturen lediglich auf der Bedeutungsebene eingesetzt. Bleibt die physische Reaktion
der Lernenden auf einen Lehrerbefehl aus oder reagieren diese
Positionierung und kritische Bewertung
Das gegenüber der vorherrschenden Fremdsprachen-Lehrmethode seiner Zeit innovative Element der Total Physical Response-Methode liegt in Ashers Interpretation des
Lernvorgangs. Mit der Technik des Total Physical Response zielt er darauf ab, in fremdsprachlichen-Lernkontexten eine kindliche Erstsprachen-Erwerbssituation zu simulieren, die er als Synchronisierung von gehörten sprachlichen Äußerungen in Imperativform mit physischen
Handlungen interpretiert.
Für den Fremdsprachen-Erwerb geht er von zwei Annahmen aus:
1. Die Fremdsprache kann nur internalisiert werden, wenn ihre Teilelemente verstanden werden.
2. Das Verstehen und Behalten wird durch physische Aktion optimal gefördert.
Als innovativ galt auch Ashers methodisch konsequentes Hervorheben des Hörverstehens, das er zur grundlegenden Fremdsprachen-Erwerbsfertigkeit erklärte.
Insgesamt ist der Anspruch, den komplexen Fremdsprachen- Erwerbszusammenhang aus einigen wenigen Aspekten zu erklären und daraus ein Lernprogramm abzuleiten, das
den gesamten Fremdsprachen-Erwerbsprozess trägt, in Frage zu stellen. Die Reduktion der muttersprachlichen-Erwerbssituation auf das Erteilen von Befehlen sowie die Gleichsetzung von Erstsprach- und Zweitsprach-Erwerb können als Beispiele für die Verkürztheit von Ashers
theoretischen Begründungszusammenhängen genannt werden.
Die aus den oben beschriebenen Annahmen des Total Physical Response resultierende Notwendigkeit, Texte so auszuwählen, dass sie eins zu eins in körperliche Aktion
umsetzbar sind, hat entscheidenden Einfluss auf das Sprachmaterial. Die methodischen Zwänge des Total Physical Response bringen -allein durch ihre Bindung an die Befehlsform - eine Reduzierung des Realitätsbezugs von Sprache mit sich.
Der Einsatz eines solchermaßen begrenzten Textkorpus ist auch einer der wesentlichsten Kritikpunkte an der Total Physical Response-Methode. Hinzu kommt die Kritik
an dem starren, monodimensionalen Unterrichtsablauf mit der Lehrperson als zentral dirigierendem Faktor und den daraus resultierenden eingeschenkten Rollen für die Lernenden.
Asher selbst empfiehlt, Total Physical Response-Techniken in andere methodische Ansätze zu integrieren.