UR- UND FRÜHGESCHICHTE IN VORARLBERG
Schon sehr früh waren die Menschen bestrebt, ihre Gebrauchs- und
Schmuckgegenstände sowie ihre Behausungen formgebend und ästhetisch zu
gestalten und ihnen künstlerischen Ausdruck zu verleihen. Die frühesten
Belege dafür sind in Europa die eiszeitalterlichen Höhlenmalereien in
Frankreich und Spanien (Jüngere Altsteinzeit). Höhlenmalereien wurden in
unserem Raum nicht entdeckt. Durch vielerlei archäologische Funde, die im
Vorarlberger Landesmuseum verwahrt werden, ist jedoch nachgewiesen, dass in
der Jungsteinzeit (von 3 000 bis 1 800 v.Chr.) im
Bodensee-Rheintal (Rheintal zwischen Sargans und Bodensee) Dauersiedlungen
bestanden, deren Bewohner Ackerbau und Viehzucht betrieben. Bevorzugte
Siedlungsplätze waren die Inselberge, wie der Kummen- und der Schellenberg,
sowie die Hangterrassen und Sporne entlang der Talränder. Die Funde aus
dieser Zeit lassen erst spärlich künstlerische Gestaltungsmerkmale erkennen,
am ehesten an Scherben von Töpfen, wo erste Ansätze von Ornamenten in Form
von aufgesetzten Wülsten zu finden sind.
Wesentlich reicher wird der künstlerische Ausdruck in der Bronzezeit
(1 800 bis 750 v.Chr.). Neuer Werkstoff für Gerät, Waffen und Schmuck wird
die Bronze. Sie wird gegossen und erlaubt schon einen erstaunlichen
Formenreichtum an figürlichem und ornamentalem Schmuck. Auch
Goldschmiedekunst und Bernsteinschnitzerei kennt diese Zeit, wenngleich es
derlei Funde aus Vorarlberg nicht gibt. Die Keramik erfährt nun eine reiche
Entfaltung.
Auch in unserem Raum folgen in der frühen und mittleren Bronzezeit (zwischen
1 800 und 1 000 v. Chr.) auf die jungsteinzeitlichen Siedlungen
bronzezeitliche Kulturen. Funde beweisen, dass ein reger Kultur- und
Handelsaustausch mit anderen Bevölkerungsgruppen des inneralpinen Raumes,
des Alpenvorlandes sowie Oberitaliens und des Rhôneraumes bestand (z.B.
Kupferbergbau in Tirol und Salzburg).
Während der Urnenfelderzeit kamen besonders im 12. und 11. Jh.v.Chr. zu den
bisher üblichen Höhensiedlungen auch Siedlungen im Tal hinzu. Diese lagen
auf den Schwemmkegeln der Bäche und auf den Schotterbänken des Rheins.
Erstmals wurden auch die Hochlagen landwirtschaftlich genutzt.
Die letzte Phase der Bronzezeit, etwa ab 1 000 bis um 750 v.Chr., war in
unserem Raum von der Laugen-Melauner-Kultur (benannt nach zwei Fundorten im
heutigen Südtirol) geprägt.
Träger dieser Kultur dürften die Räter gewesen sein. Das
Verbreitungsgebiet der für die Laugen-Melauner-Kultur typischen Keramik
erstreckte sich über das Bodensee-Rheintal, die Alpenrheintäler, das
Engadin, das Oberinntal, Südtirol und die Provinz Trentino bis nach Kärnten.
Der rätische Volksstamm, der das Bodensee-Rheintal und den Walgau bewohnte,
waren die Vennonen. Ihr Hauptort dürfte Vinomna (Rankweil) gewesen sein. Die
Fundstätte in der Grütze, eine Flur in Altenstadt, zählt zu den
bedeutendsten der Laugen-Melauner-Kultur.
In der Eisenzeit (etwa ab 750 v.Chr.) trat an die Stelle der
Bronze vorwiegend die Verwendung von Eisen, das in Schmiedetechnik
verarbeitet wurde. Bronze wurde weiterhin für kunstvollere, edlere
Erzeugnisse verwendet. Die Keramik erfuhr eine weitere Verfeinerung
(Einführung der Töpferscheibe), ebenso die Goldschmiedekunst. Namengebend
für die Ältere Eisenzeit ist die Hallstattkultur (bei uns etwa 750
bis 450 v.Chr.). Es entwickelten sich vermehrte Kontakte des inneralpinen
Raumes zu den Mittelmeerländern und nach Westeuropa (Etrusker, Kelten).
Mit dem Eindringen der aus Westeuropa sich ausbreitenden keltischen
Kultur im Bodenseeraum (um 400 v.Chr.) gibt es auch Werke keltischer
Kunst in unserem Raum (La-Tène-Kultur - Jüngere Eisenzeit um 450 bis 15
v.Chr., benannt nach den Pfahlbaufunden von La-Tène am Neuenburger See).
Während sich westlich des Rheins die Helvetier breit machten, war es an
unserem Bodenseeufer und nördlich des Bodensees der keltische Stamm der
Vindelikier. Brigantium (Bregenz) hat seinen Namen vom vindelikischen
Unterstamm der Brigantier. Über die Kelten kam das erste Münzgeld bei uns in
Umlauf (Silbermünzenfund aus Lauterach). Neben dem keltischen Einfluss
bewahrte sich im südlichen Bodensee-Rheintal auch während der späten
Eisenzeit das mehr vom mediterranen Kulturkreis mitbestimmte rätische
Kulturgut, wie Funde vom Eschner Berg, vom Gutenberg bei Balzers, von der
Grütze in Altenstadt und vom Neuburghorst bei Koblach beweisen.
Die Römerzeit
Mit der Eroberung des Alpen- und Bodenseeraumes durch die Römer im Jahre 15
v.Chr. beginnt für unseren Raum die Frühgeschichte. Seither gibt es
schriftliche Quellenzeugnisse, und gerade aus der römischen Zeit ist
umfangreiches archäologisches Fundmaterial vorhanden. Die Inschrift über den
Alpenfeldzug von Drusus und Tiberius auf dem Siegesdenkmal in La Turbie bei
Monaco nennt unter anderen die Brigantier (Brigantium) und die Vennoneten (Vinomna).
Die einheimische Bevölkerung leistete der Unterwerfung durch die Römer
erbitterten Widerstand. Dabei fielen die keltischen Bergfesten und die
befestigten Höhensiedlungen und Fluchtburgen der Räter in Schutt und Asche,
wie römische Schriftstellertexte berichten. Als neues Verwaltungsgebiet
wurde die Provinz Raetia eingerichtet, die das Gebiet der Vindelikier
und der Räter umfasste und bis ins Wallis reichte. Verwaltungssitz wurde
Augusta Vindelicorum (Augsburg). Am Siedlungsplatz der Brigantier (Brigantium)
entstand zuerst ein Militärlager, aus dem sich innerhalb weniger Jahrzehnte
eine blühende Stadtansiedlung entwickelte. Wichtige Straßenverbindungen von
der Donau zum römischen Mutterland sowie zu den Provinzen Helvetia und
Noricum führten über diesen Knotenpunkt.
Nahezu 500 Jahre dauerte der römische Einfluss. Auf die anfängliche
Besatzung folgten römische Kolonisten, und im Lauf der Jahrhunderte
vermischte sich die bodenständige Bevölkerung mit den neuen Siedlern. Es
vollzog sich jener Romanisierungsprozess, der die keltischen
Brigantier zu Keltoromanen und die Vennonen zu Rätoromanen werden ließ. Wie
überall, wo die Römer eroberte Gebiete kolonisierten, verbreiteten sie auch
in unserem Raum ihre Kultur, wovon es auch viele archäologische Zeugnisse
gibt (Römerfunde im Landesmuseum, konservierte Ausgrabungsstätten in Bregenz
und in Rankweil-Brederis).
Die Zeit der Völkerwanderung brachte gegen Ende des 5. Jh.s
den Niedergang der römischen Kultur. Schon Anfang des 3. Jh.s beginnend,
setzten sich die Alemannen nach mehreren Vorstößen im Bodenseeraum
fest. Um 609 lernten die irischen Missionare Kolumban und Gallus Brigantium
als zerstörte Stadt und Burg kennen und fanden ein armes keltoromanisches
Dorf vor.
In einer langsamen und allmählichen Landnahme verbreiteten sich die
Alemannen bis zum 7. Jh. etwa bis südlich von Dornbirn. Die Eindeutschung
des südlichen Vorarlberg erfolgte erst im Hoch- und Spätmittelalter.
Während der Jahrhunderte der alemannischen Landnahme geriet der heutige
Vorarlberger Raum politisch zunächst unter den Einfluss der Ostgoten, auf
den durch etwa 400 Jahre die fränkische Herrschaft folgte. Die
archäologischen Funde, aber auch die schriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit
sind sehr spärlich.
Im Frühmittelalter gab es sowohl im rätoromanischen
als auch im alemannischen Siedlungsgebiet schon eine ansehnliche Zahl von
Pfarreien, die den Bistümern Chur und Konstanz zugeteilt waren. Im Churer
Reichsurbar aus dem Jahre 842, einem rätoromanischen Güterverzeichnis,
werden mehrere Kirchen namentlich erwähnt: St. Gallus in Bregenz, St. Peter
zu Feldkirch-Altenstadt, St. Peter in Rankweil, ebenso Kirchen in Röthis,
Nenzing, Nüziders u.a.m. Bedeutenden Einfluss auf den Vorarlberger Raum
hatte damals das Kloster St. Gallen. An der Stelle der Einsiedelei des hl.
Gallus, um 720 vom Abt Othmar gegründet, wurde die erste karolingische
Anlage um 830 zum Teil nach dem berühmt gewordenen St. Galler Klosterplan
errichtet (Stiftsbibliothek, St. Gallen). An Funden aus dieser Zeit besitzt
das Vbg. Landesmuseum lediglich zwei Flechtwerkplatten aus Sandstein, die
eine aus Lauterach, die andere aus der Mehrerau.
Bildbeschreibungen
Alle abgebildeten Gegenstände (mit Ausnahme von Bild 11) befinden sich im
Vorarlberger Landesmuseum.
Ergänzende
Bilder zum Thema
aus anderen UHVf-Bildreihen:
UHVf 16 / 3 Südliches Rheintal - Inselberge
UHVf 11 / 51 Vorarlberger Landesmuseum
UHVf 12 / 16 Landesmuseum - innen
UHVf 8 / 3 Jungsteinzeit - Siedlungsplätze
4 Rätische Hellebardenäxte, keltische Silbermünzen und
silberne Gewandnadeln
6 Die römische Provinz Rätia
7 Brigantium
8 Bodenmosaik und Weinkrug
9 Peutingeriana (römische Straßenkarte)
10 Römischer Handelszug
11 Einwanderung der Alemannen
12 Alemannische Einwanderung ins Rheintal
13 Überfahrt der Heiligen Gallus und Kolumban von Arbon
nach Bregenz
LB 2 Der St. Galler Klosterplan (Diaserie der Medienzentrale St. Gallen -
Verleih: Landesbildstelle Vorarlberg)
aus sbz Transparente - Geschichte und Sozialkunde:
Transparent 33 Die Klosteranlage (St. Galler Klosterplan)
Literaturhinweise
Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums Nr. 78:
Kunst und Kultur von der Steinzeit zur Gegenwart 1978
Bilgeri Benedikt, Geschichte Vorarlbergs, Bd. I, Böhlaus Graz, 1971
Ilg Karl, Landes- und Volkskunde, Geschichte, Wirtschaft und Kunst
Vorarlbergs, Bd. IV Die Kunst, Universitätsverlag Wagner - Innsbruck, 1967
Lehrerarbeitskreis für Heimatkunde im Unterricht Land Vorarlberg - eine
Dokumentation, Eugen Ruß Verlag, Bregenz, 1988
Schwarz Artur, Heimatkunde von Vorarlberg, Eugen Ruß Verlag, Bregenz, 1949
Zur Topografie urgeschichtlicher und römerzeitlicher Fundstätten in
Vorarlberg Vonbank Elmar in Dehio Vorarlberg, Schroll, 1983
ÜBERSICHTSTABELLE DER UR- UND FRÜHGESCHICHTE IN
VORARLBERG
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