GOTIK IN VORARLBERG

Geschichtliche Einordnung

Die Gotik (bei uns etwa von 1250 bis Anfang des 16. Jh.s) fällt in die Zeit des Spätmittelalters. Im ausgehenden Hochmittelalter vollzog sich ein starker geistiger und kultureller Wandel. Das deutsche Kaisertum, geschwächt durch die Auseinandersetzungen mit dem Papst (Investiturstreit), verlor immer mehr an Macht. Mit dem Sturz der Staufer verlor auch das Herzogtum Schwaben seinen Bestand, zu dem in der Zeit der Romanik auch Vorarlberg, wenngleich nur lose, gehörte. Zurück blieb eine Vielzahl selbstständiger größerer und kleinerer Grafschaften, Bistümer und Reichsstädte. Diese Zersplitterung der politischen Verwaltung war zu Ende des 13. Jh.s kennzeichnend für den ganzen deutschen Sprachraum. So finden wir zu Beginn des 14. Jh.s den heutigen Vorarlberger Raum aufgesplittert in die

Grafschaft Montfort-Feldkirch mit Jagdberg, Rankweil, Dornbim, Fußach und dem Bregenzerwald

Grafschaft Montfort-Bregenz mit Hofsteig und dem Vorderwald

Grafschaft Werdenberg-Heiligenberg mit Bludenz und dem Montafon

Grafschaft Hohenems und den Reichshof Lustenau

Herrschaft Neuburg (Koblach)

Herrschaft Sonnenberg mit dem Walgau links der lll und dem Klostertal

Herrschaft Blumenegg (Thüringen).

Mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft und dem Erstarken des Bürgertums verloren Ritter und niedrige Adelige immer mehr an Einfluss. Sie gerieten öfters in Geldnöte und waren als Grundherren gezwungen, den reichen Bürgern Freiheitsrechte und politische Zugeständnisse einzuräumen. Das Erstarken des Bürgertums vollzog sich insbesondere im Schutz der Städte. In Vorarlberg nahm Feldkirch eine Vorrangstellung ein (1312/13 verlieh Kaiser Heinrich der Stadt Feldkirch das Recht der Stadt Lindau, 1376 gab Graf Rudolf von Montfort der Stadt den großen Freiheitsbrief). Feldkirch profitierte auch sehr aus der verkehrsgünstigen Lage. Demgegenüber konnte sich Bregenz unter den Grafen von Montfort-Bregenz nicht so günstig entfalten. Es litt unter der nahen und starken Konkurrenz der freien Reichsstadt Lindau. Zudem wurden 1338 die Grafschaft Bregenz und damit auch die Stadt erbrechtlich geteilt. Erst nach der Übernahme durch die Habsburger (1451) und der 1523 erfolgten Wiedervereinigung begann sich Bregenz wieder zu entwickeln. Bludenz, als die dritte Stadt im Lande, erhielt ebenfalls im 14. und 15. Jh. seine Ausformung zur mittelalterlichen Stadt, wenn es auch an Größe und Bedeutung hinter Feldkirch zurückblieb. Im Laufe des 14. Jh.s. wurden die Hochtäler unseres Landes von den aus dem Wallis (Schweiz) stammenden Walsern besiedelt. Sie ließen sich auch an den Bergflanken des Rheintales und des Walgaus nieder. Erstmals sind sie 1313 im Laternsertal und in Damüls urkundlich nachgewiesen. Die Grafen von Montfort, die diese Siedler zur Hebung der Wehrkraft ins Land riefen, sorgten auf diese Weise dafür, dass die bis dahin noch unbesiedelten Gebiete des Landes kultiviert wurden. Als Gegenleistung wurden die Walser mit zahlreichen Sonderrechten ausgestattet. Die Einwanderung der Hochalemannisch sprechenden Walser trug auch dazu bei, dass die im Süden Vorarlbergs damals noch stark verbreitete rätoromanische Sprache weiter zurückgedrängt wurde.

Zu Beginn des Spätmittelalters herrschten im Reich allgemeine Rechtlosigkeit und Verwirrung (Interregnum). In dieser kaiserlosen Zeit begannen zahlreiche adelige Herren (Grafen, Herzöge, Erzbischöfe) die Macht an sich zu reißen. Durch Kauf, Heirat und Eroberungen gelang es ihnen, nach und nach die zuvor zersplitterten Rechte und Besitzungen (Burgen, Städte, Herrschaften, Vogteien, Klöster) zu einem Territorium zusammenzuschließen, in welchem sie die Landeshoheit innehatten. In dieser so genannten Hausmachtpolitik waren damals die Luxemburger (Herzogtum Luxemburg und Königreich Böhmen), die Wittelsbacher (Herzogtum Bayern, Kurpfalz und Oberpfalz) und die Habsburger besonders erfolgreich. So geriet das Land vor dem Arlberg in den Sog der habsburgischen Hausmachtpolitik. Es bildete die Brücke zwischen den österreichischen Besitzungen der Habsburger und deren Stammland westlich des Bodensees. Mit der Übergabe der Burg Welsch-Ramschwag (Nenzing) an Herzog Rudolf IV. von Österreich im Jahre 1360 erlangten die Habsburger ihre erste Besitzung im Raum des heutigen Vorarlberg. Während des 14. und 15. Jh.s gelangte Zug um Zug nahezu das ganze Land in ihren Besitz:

1363    Herrschaft Neuburg

1390    Grafschaft Feldkirch

1397    Jagdberg

1413    Herrschaft Bludenz

1451    die südliche Hälfte der Herrschaft Bregenz

1453    Tannberg und Kleinwalsertal

1474    Herrschaft Sonnenberg

1523    nördliche Hälfte der Herrschaft Bregenz

Erst viel später kamen die Reichsgrafschaft Hohenems (1765), die Reichsherrschaft Blumenegg sowie die Reichspropstei St. Gerold (1804) und schließlich der Reichshof Lustenau (1830) zu Habsburg-Österreich. Jeweils nach dem Verkauf einer Herrschaft an die Hausmacht Habsburg wurde für die Verwaltung ein österreichischer Vogt eingesetzt. Die Vögte waren in der Regel Beauftragte aus dem niederen Adel und bewohnten die Burgen. Sie walteten oftmals selbstherrlich und eigennützig, wodurch sie sich den Unwillen der freiheitsliebenden Bevölkerung zuzogen.

Im 14. Jh. Iitt die Bevölkerung sehr unter den Fehden und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihren Grundherren. Nicht selten waren dafür Erbteilungen die Ursache. Die Leute mussten Kriegsdienste und vermehrte Abgaben leisten und oftmals die Verwüstungen ihrer Felder und Hofstätten in Kauf nehmen. Als Entschädigung dafür trotzten sie den Grundherren mancherlei Freiheitsrechte und Privilegien ab, die von deren Nachfolgern wieder in Frage gestellt wurden.

Im Appenzellerkrieg (1405 - 1408) kämpften die Appenzeller gegen die Machtbestrebungen der Habsburger und gegen den Fürstabt des Klosters St. Gallen. Die Stadt St. Gallen und die Stadt Feldkirch traten an die Seite der Appenzeller und bildeten mit ihnen den Bund ob dem See. Auch viele Bauern- und Bürgergemeinschaften des Rheintals und des Walgaus schlossen sich an. Der Bund sollte gegenseitigen Schutz zur Wiederherstellung bzw. Wahrung demokratischer Freiheitsrechte bieten und richtete sich im Besonderen gegen jede Form von Adelsherrschaft. Im Zuge der Kriegshandlungen kam es zur Besetzung und Zerstörung der meisten Burgen. Der Dienstadel wurde aus dem Land vertrieben. 1408 scheiterte der Bund infolge der misslungenen Belagerung der Stadt Bregenz, weil die südschwäbischen Adeligen mit ihrem Ritterheer der Stadt zu Hilfe gekommen waren (Ritterbund vom St. Georgenschild). Die Sage von der Ehre-Guta, die die Stadt gewarnt haben soll, erinnert an dieses Ereignis. Durch den Frieden von Konstanz (1408) wurden viele Freiheitsrechte bestätigt. Die zerstörten Burgen durften nur mit Genehmigung des deutschen Königs wiedererrichtet werden.

Im Lauf des Spätmittelalters erwarben die Bürger und Bauern immer mehr politisches Mitspracherecht gegenüber ihrem Landesherrn. In vielen Teilen des Landes gab es praktisch keine Leibeigenschaft. Die Siedlungsgenossenschaften freier Bauern entwickelten sich zu Gemeinden. Diese wiederum waren politisch regional zu Gerichten zusammengefasst. Weder der Adel, die Geistlichkeit noch der Landesherr verfügten über die Gerichtsbarkeit, sondern das Volk, vertreten durch die von Gerichtssprengeln gewählten Ammänner. Die bedeutendste Gerichtsdemokratie stellte dabei der Hinterbregenzerwald dar. Gegenüber dem Landesherrn oder zur Abwendung gemeinsamer Gefahren traten Gemeinden und Gerichte geschlossen als Landschaft auf. Daraus entwickelten sich die Vorarlberger Landstände, die im Gegensatz zum übrigen Österreich keine Standesvertretung, sondern demokratische Volksvertretungen von Bauern und Bürgern waren (1504 erster urkundlich belegter landesweiter Landtag in Feldkirch). Während des 15. Jh.s führten die österreichischen Herzöge mehrere Kriege gegen die Schweizer Eidgenossenschaft. Dabei wurde Vorarlberg immer wieder von Kriegshandlungen (Zerstörung, Brandschatzungen) betroffen. Aus dem Schwabenkrieg am Ende des Jahrhunderts sind besonders die Schlachten von Hard und Frastanz (1499) in die geschichtliche Überlieferung eingegangen. Erst die Erbeinigung von 1511 zwischen Österreich und der Schweiz schuf die Grundlage für ein friedliches Nebeneinander beider Staaten in den folgenden Jahrhunderten.

GOTIK IN VORARLBERG

Während - ausgehend von Mittelfrankreich - die gotischen Stilformen schon im 12. Jh. in Westeuropa weite Verbreitung gefunden hatten, hielt man in deutschen Landen noch bis Mitte des 13. Jh.s an der Romanik fest. Erst allmählich fanden gotische Stilelemente Eingang in die Architektur und das bildnerische Schaffen. Dies gilt im Besonderen auch für unseren Raum. Vielfach wurden romanische Kirchenanlagen im neuen Stil umgebaut oder durch ein gotisches Chorhaus erweitert. Ein treffliches Beispiel für eine solche Erweiterung ist das Marienmünster in Mittelzell auf der Insel Reichenau. In der gotischen Zeit wurde das künstlerisch-kulturelle Schaffen in zunehmendem Maße vom Bürgertum der Städte getragen, dies besonders wieder in Vorarlberg, wo es ohnehin an reichen Stiften und Herrschaftshäusern fehlte (die Grafengeschlechter der Montforter waren im Aussterben). Was an Kunstwerken aus der Gotik in Vorarlberg erhalten blieb, ist nicht von überregionaler Bedeutung. Ganz allgemein präsentiert sich die gotische Kunst in unserem Land als Teil des süddeutsch-schwäbischen Kulturraums.

Gotische Architektur

Am deutlichsten sind die gotischen Stileinflüsse an Kirchenbauten dieser Zeit zu erkennen. Das älteste Beispiel ist das Filialkirchlein St. Nikolaus in Zitz, Bludesch. Es verfügt über den einzigen gemauerten gotischen Turmhelm des Landes. Im 14. Jh., besonders aber im 15. Jh., wurden in vielen Orten Pfarrkirchen und Kapellen im gotischen Stil neu errichtet. Es handelte sich durchwegs um kleinere, bescheidene Landkirchen, bei denen die Ausformung des Gotischen am ehesten im Chorhaus erfolgte. Der Chor schloss mit drei Seiten eines Achteckes ab und hatte ein Rippen-, Netz- oder Sterngewölbe, während das Langhaus in den meisten Fällen wie in der Romanik mit einer Flachdecke ausgestattet war. Typisch für die gotischen Fenster ist der spitzbogige Abschluss, mit so genanntem Maßwerk geziert. Dem gotischen Merkmal des Himmelanstrebens wurde man mit steilen Giebeldächern und einem schlanken, mit spitzem Helmdach versehenen Einzelturm gerecht. Dass die Durchlichtung der Wände im Skelettbau, gestützt durch filigranes Strebewerk an der Außenseite (wie wir es von der französischen Kathedralgotik oder von den deutschen Domkirchen und dem Wiener Stephansdom her kennen) bei uns nicht zum Tragen kam, hat seinen Grund wohl auch darin, dass unsere Gotteshäuser von wenig begüterten Dorfgemeinschaften errichtet wurden. Große Fenster verlangten nach teuren Glasmalereien, die sich eher die reichen Bürgergemeinschaften der Städte leisten konnten. Auch boten kleine Fenster in einem rauen Gebirgsland und in kriegerischen Zeiten mehr Schutz und Geborgenheit.

Von den Stadtkirchen hat die Domkirche in Feldkirch ihren gotischen Gesamtcharakter am besten bewahrt. Die gotische Laurentius-Kirche in Bludenz wurde barockisiert und erhielt einen barocken Turm, bei der Bregenzer St. Gallus-Kirche ist der Turm gotisch erhalten. Sein oberster Teil erhielt die heutige Gestalt in der Barockzeit. Die meisten der gotischen Dorfkirchen wurden in späterer Zeit erneuert oder umgebaut, in etlichen Fällen ist das gotische Chorhaus erhalten geblieben. Noch vorhanden sind auch einige kleine Kirchen und Kapellen. Der einzige ursprünglich gotische Kreuzgang des Landes befindet sich im ehemaligen Kloster Viktorsberg (einfache Spitzbogenfenster und Kreuzgratgewölbe).

Im Spätmittelalter wurden die Burgen stark erweitert und ausgebaut. Zu den bestehenden kamen noch etliche neu hinzu. Zu diesen zählt Neu-Ems (Glopper). Auch diese Burg über Hohenems wurde wie die meisten Burgen des Landes im Appenzellerkrieg zerstört, kurz danach aber wieder aufgebaut. Sie ist bis heute im Wesentlichen so erhalten geblieben. Die größte erhaltene Burganlage ist die Schattenburg in Feldkirch. Sie erhielt im 15. Jh. annähernd ihre heutige Gestalt. Die übrigen Burgen des Mittelalters sind entweder gar nicht mehr oder nur noch als Ruinen vorhanden. (Die beiden kleinen, bewohnbaren Anlagen - Schloss Wolfurt und Rosenegg in Bürs - sind nicht mehr original, sondern wurden in diesem bzw. im vorigen Jahrhundert verändert.)

Im ausgehenden Spätmittelalter wurden die gotischen Stilelemente zunehmend auch vom Bürgertum für profane Bauten übernommen. Die Städte, bei uns Bregenz, im Besonderen aber Feldkirch und Bludenz, erfuhren zu dieser Zeit ihre typische Ausformung. Gotische Rathäuser und Bürgerhäuser mit Laubengängen, Erkern und hohen Fachwerkgiebeln bestimmten das architektonische Erscheinungsbild. Nach den vielen Kriegswirren des 15. Jh.s wurden die Stadtbefestigungsanlagen (Stadttore, Stadtmauern und Wehrtürme) erneuert und erweitert. Was davon in Feldkirch und Bludenz noch erhalten ist, stammt im Wesentlichen aus der Zeit um 1500.

Plastik und Kunsthandwerk aus der Gotik

Im 14. Jh. traten an die Stelle der in der Romanik üblichen Hostienschreine Sakramentsnischen und Steintabernakel. Sie waren in der Regel auf der Evangelienseite in der Chorwand eingelassen. Diese so genannten Sakramentshäuschen wurden meist in reichhaltiger Steinmetzarbeit gestaltet. Solche Werke sind noch in einigen Kirchen vorhanden. Als ein künstlerisch besonders wertvolles Beispiel gilt jenes in der Pfarrkirche in Röthis. Seltener waren freistehende Gehäuse. Die schmiedeeiserne Kanzel im Dom zu Feldkirch war ursprünglich solch ein freistehendes Sakramentshaus.

Für die Gotik typisch sind auch die Flügelaltäre. Der Altarschrein und die Innenseiten der Türflügel sind meist mit geschnitzten Bildwerken ausgestattet, während die Außenseiten der Flügel Tafelbilder zeigen. Derartige Flügelaltäre sind in Vorarlberg noch recht zahlreich vorhanden; manche haben sich in der originalen Aufstellung in Kirchen erhalten (z.B. St. Martin/Ludesch, St. Anna/Schlins-Frommengärsch, Knappenaltar/ Bartholomäberg). Einige sind im Vorarlberger Landesmuseum zur Schau gestellt. Sie stammen teils aus heimischen Werkstätten, mehrfach aber aus Werkstätten im schwäbischen Raum und im Allgäu (Ravensburg, Ulm, Memmingen, Kempten, Kaufbeuren). Leider sind auch wertvolle gotische Kunstschätze aus Vorarlberg ins Ausland gelangt. So weiß man, dass sich der prachtvolle Flügelaltar aus der St. Agatha-Kapelle auf dem Kristberg in deutschem Privatbesitz befindet. Die Flügelreliefs des Hochaltars von Damüls verwahren die Staatlichen Museen in Berlin-Ost, die Skulpturen des Laternser Altars das Bayerische Nationalmuseum in München.

Im ganzen Land finden sich weitere plastische Bildwerke, wie Andachtsbilder, Kreuzigungsgruppen, Vesperbilder (Pietàs), Madonnen mit Kind und Kruzifixe.

Kunsthandwerkliche Erzeugnisse: Unter den liturgischen Geräten ist der so genannte Wettinger Stifterkelch hervorzuheben. Er stammt aus der Schweiz und zählt zum heutigen Klosterschatz der Mehrerau. Unter den Monstranzen ist jene in der Domkirche in Feldkirch am reichsten ausgestaltet. Darüber hinaus gibt es noch kunsthandwerkliche Erzeugnisse dieser Zeit aus verschiedensten Anwendungsbereichen, z.B. Möbel, schmiedeeiserne Truhenbeschläge, Gläser, Ledereinbände. Diese sind vorwiegend im Landesmuseum, in Heimatmuseen und in Stadtarchiven zu sehen.

Gotische Malerei

Von der gotischen Glasmalerei ist wenig erhalten: ein Stifterfenster in Viktorsberg und einige Wappenscheiben.

Nachdem bei uns die Aufgliederung der Wände durch architektonische Elemente und Fenster nur in bescheidenem Maße stattgefunden hatte, boten sich wie in der Romanik große Wandflächen für Wandmalereien an. Tatsächlich hat sich einiges erhalten, in manchen Fällen stieß man bei Kirchenrenovierungen in den letzten Jahrzehnten verschiedentlich auf solche gotische Wandfresken: Magdalenen-Kirche in Levis, St. Nikolaus in Zitz-Bludesch, St. Martin in Ludesch, St. Martin in Bregenz-Oberstadt und in den Kirchen von Damüls, Lech, Brand, Hohenweiler, Reuthe und Mittelberg.

In der späten Gotik entwickelte sich besonders die Tafelmalerei. Die auf Holztafeln gemalten biblischen Szenen und Darstellungen von Heiligen dienten fast ausschließlich der Ausstattung von Flügelaltären. Manche Tafeln sind als Altarflügel auf der Vorder- und auf der Rückseite bemalt. Während die bedeutenderen Werke ihren Ursprung in Künstlerwerkstätten im Schwabenland (z.B. Ulm, Memmingen) haben, gibt es auch einige wenige, die sich mit heimischen Künstlernamen in Verbindung setzen lassen (Ulrich Geser, Hans Huber).

Einige gotische Tafelbilder befinden sich im Landesmuseum, die Mehrzahl ist jedoch als Bestandteil der heute noch in Kirchen und Kapellen stehenden Flügelaltäre zu sehen.

Auseinander zu halten von der ursprünglichen Gotik sind die Werke der Neugotik. Besonders im späten 19. Jh. wurden die gotischen Stilelemente wieder aufgegriffen. Damals und noch um die Jahrhundertwende wurden auch in Vorarlberg zahlreiche neugotische Kirchengebäude errichtet. Viele Altäre aus dieser Zeit haben einen neugotischen Aufbau. Neugotische Kirchen stehen z.B. in Frastanz, Egg, Schwarzach, Fraxern und Silbertal. Neugotisch sind auch die Klosterkirche in Riedenburg, die evangelische Kirche und die Herz-Jesu-Kirche in Bregenz.

Literaturhinweise

llg Karl, Landes- und Volkskunde, Geschichte, Wirtschaft und Kunst Vorarlbergs, Bd. IV Die Kunst, Universitätsverlag Wagner - Innsbruck, 1967

Bilgeri Benedikt, Geschichte Vorarlbergs, Bd. Il, Böhlaus, Graz, 1974

Burmeister Karl Heinz, Geschichte Vorarlbergs - Ein Überblick, Verlag für Geschichte und Politik, Wien, 3. Auflage 1989

Schwarz Artur, Heimatkunde von Vorarlberg, Eugen Ruß Verlag, Bregenz, 1949

Lehrerarbeitskreis für Heimatkunde im Unterricht, Land Vorarlberg - eine Dokumentation, Eugen Ruß Verlag, Bregenz, 1988

Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums Nr. 78:

Kunst und Kultur von der Steinzeit zur Gegenwart, 1978

DEHIO Vorarlberg, Schroll & Co., Wien, 1983

Frey Dagobert, Österreichische Kunsttopographie - Bezirk Feldkirch, ÖKT Bd. XXXII, Wien, 1958

Kleiner Kunstführer: Dom St. Nikolaus, Feldkirch, Verlag Schnell & Steiner, München - Zürich, 1988

Kleiner Kunstführer: Damüls, Verlag Schnell & Steiner, München - Zürich, 1985

 

KIRCHEN UND KAPELLEN, DIE HEUTE NOCH DEUTLICHE STILELEMENTE AUS DER GOTISCHEN ZEIT AUFWEISEN:

FACHAUSDRÜCKE

Attribut:

(lat. attributum = das Hinzugefügte)

Gegenstand, der einer dargestellten Person als Kennzeichen beigegeben wird. Der Gegenstand steht in Bezug zur Person (Stellung, Marterwerkzeug, Wunder, ...), z.B. Schlüssel des hl. Petrus

Blendbogen:

ein der Mauer vorgebauter Bogen, der jedoch keine Maueröffnung umschließt

Fiale:

schlankes, spitzes Ziertürmchen; in der Gotik häufig als Abschluss von Strebepfeilern oder als Portalkrönung

Fischblase:

Maßwerkmotiv in der Form eines geschwungenen Tropfens

Fresko-Malerei:

(ital. fresco = frisch) Wandmalerei mit Farben auf feuchtem Kalkputz, der beim Trocknen die Farben an den Grund bindet

Gesprenge:

hoher, turmartiger, feingliedriger Aufbau über dem Mittelschrein spätgotischer Flügelaltäre

Kapitell:

oberster, ausladender Teil (Kopf) von Säulen, Pfeilern und Pilastern am Treffpunkt von Stütze und Last

Krabbe:

Kriechblume an den Kanten von gotischen Turmhelmen

Kreuzblume:

ornamentale Bekrönung gotischer Turmhelme, Fialen und Wimperge; oft in Form eines Kreuzes

Kreuzgratgewölbe:

rechtwinklige Durchdringung von zwei gleich hohen Tonnengewölben. Die Schnittlinien heißen Grate.

Kreuzrippengewölbe:

Kreuzgratgewölbe mit tragenden Rippen entlang der Grate

Lisene:

schwach vortretende Mauerverstärkung (meist an Außenwänden) zur Wandgliederung, ohne Basis und Kapitell

Maßwerk:

geometrisch konstruiertes Bauornament der Gotik, ursprünglich zur steinernen Vergitterung von Fenstern, später auch für durchbrochene Brüstungen und als Blende zur Gliederung von Wandflächen verwendet.

Pass:

Kreisteil des gotischen Maßwerkes. Nach Anzahl der Kreisbögen Drei-, Vier- oder Vielpass genannt. Der Dreipass gleicht einem Kleeblatt.

Pietà (Vesperbild):

(ital. pietà = Mitleid, Erbarmen)

Darstellung Mariens mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß. Im Mittelalter war es Brauch, am Karfreitag zur Zeit der Vesper eine besondere Andacht zu den hl. fünf Wunden des auf dem Schoß der Gottesmutter ruhenden Sohnes abzuhalten.

Rippe:

tragendes Konstruktionselement eines Gewölbes

Rosette:

stilisiertes Blütenornament für das Maßwerk eines Rundfensters

Stern- oder Netzgewölbe:

Die Rippen des Gewölbes bilden stern- bzw. netzförmige Figuren.

Strebepfeiler:

Pfeiler an den Außenmauern gotischer Kirchen. Sie fangen den Seitenschub von Dach und Gewölbe auf.

Strebewerk:

System von Strebepfeilern und -bögen zur Abstützung von Mauern und Gewölben.

Tabernakel:

1. der   : Behältnis zur Aufbewahrung geweihter Hostien auf dem katholischen Altar

2. das  : von Stützen getragenes Ziergehäuse (für Figuren) in der Gotik

Temperamalerei:

(lat. temperare = mischen)

Verwendung von Farben, die mit Bindemitteln wie Eigelb, Honig oder Leim gemischt wurden. Bis zum 15. Jh. zum Bemalen von Tafelbildern bei Altären verwendet, dann allmählich von der Ölmalerei verdrängt.

Triumphbogen (Chorbogen):

Im Kirchenbau der Bogen, der das Mittelschiff vom Chor trennt.

Wanddienste:

dünne, säulenartige Wand- und Pfeilervorbauten, auf die sich die Rippen gotischer Gewölbe stützen

Wimperg:

Ziergiebel über gotischen Fenstern und Portalen

Weicher Stil:

europaweit verbreitete Stilform, besonders in der gotischen Plastik zwischen 1380 und 1420 - Liebliche Madonnen

Verwendete Literatur:

Koch Wilfried: Baustilkunde, Orbis Verlag, München, 1988

Flüeler Niklaus: Kulturführer der Schweiz, Ex Libris Verlag, Zürich, 1982

Neues Großes Volkslexikon, Taschenbuch Verlag, München, 1979

Ergänzende Bilder zum Thema

aus anderen UHVf-Bildreihen:

UHVf    8 / 19   Schattenburg Feldkirch

                 27   Feldkircher Stadtrecht

                 28   Bludenzer Stadtrecht

                 31   Appenzellerkrieg 1405

                 32   Gedächtniskapelle am Stoß

                 33   Niederlage der Appenzeller bei Bregenz 1408

                 34   Schlacht von Hard 1499

                 35   Schlacht von Frastanz 1499

                 36   Walsersiedlung in Vorarlberg

                 41   Wappen Feldkircher Geschlechter

UHVf    12 / 8   Die Oberstadt / Bregenz

                 10   Das untere Stadttor / Bregenz

UHVf    16 / 50 Schloss Glopper, Hohenems

UHVf    19 / 24 St. Martin, Ludesch

                   28 Herrschaften im Walgau

UHVf    22 / 22 Knappen- oder Anna-Altar (Pfarrkirche Bartholomäberg)

UHVf    23 / 44 Damülser Kirche - Fresken

UHVf    24 /  3  St. Laurentiuskirche / Bludenz

                    4  Oberes Tor / Bludenz

UHVf    34 / 11 Pfarrkirche von Laterns-Thal

                   12 Hausaltar aus dem Laternsertal (1499)

UHVf    41 / 2   Der alte Stadtkern / Feldkirch

                   5   Neustadt mit Schattenburg

                   7   Innenhof der Schattenburg

                   8   Katzenturm

                   9   Churertor

                 10   Marktgasse mit Lauben

                 20   Alte Kirche von Levis mit Siechenhaus

 

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