Diese ist ein Auszug aus Brigitte Ortner: Alternative Lehrmethoden im Fremdsprachenunterricht; Hueber Verlag 1997
Buttaroni, Susanna und Alfred Knapp: Fremdsprachenwachstum. Anleitungen und sprachpsychologischer Hintergrund für Unterrichtende. Fernkurse der Wiener Volkshochschulen. Wien 1988 Hueber, Ismaning 1997.
A) Authentisches Hören
1. Schritt: Hören und mündlicher Informationsaustausch
Ein Fremdsprachenwachstumskurs für Anfänger beginnt in der Regel mit Arbeit an einem ein- bis drei minütigen realitätsnahen, natürlich-komplexen Hörtext in natürlicher
Sprechgeschwindigkeit, von dem angenommen wird, dass er auf das inhaltliche Interesse der Lernergruppe stößt. Auf Audiokassette vorhanden, wird er der Lernergruppe mehrmals in realer Geschwindigkeit vorgespielt. Die Arbeitsaufgabe, die man als Einladung an die Lernenden versteht, lautet: „Hören Sie so aufmerksam wie möglich zu." Nach diesem ersten Hören tauschen die Lernenden in Zweiergruppen jene Informationen aus, die sie bisher dem Text entnehmen konnten.
2. Schritt: Hören und schriftlicher Informationsaustausch
Ein zweites Hörpaket mit wiederum zwei- bis dreimaligem Abspielen und aufmerksamem Anhören folgt. Beim dritten Anhören dieses zweiten Hörpakets werden die Lernenden
aufgefordert, sich drei bis fünf Wörter, respektive Lautgruppen, die sie interessieren, zu notieren. Ein Informationsaustausch der Lernenden untereinander, in neu zusammengesetzten Paaren oder in Dreier- oder Vierergruppen folgt.
3. Schritt: „Lebendes Wörterbuch": Informationsaustausch im Plenum
Hier geben die Paare ihre in der Kleingruppe nicht geklärten Fragen/Wörter zur möglichen Klärung an das Plenum weiter. Bleiben im Plenum Fragen offen, beantwortet sie die
Lehrperson.
4. Schritt: Hören mit Arbeitsaufgaben
Es folgt ein zwei- bis dreimaliges Anhören des Textes mit erneutem Informationsaustausch in neuer Paar- oder Gruppenzusammensetzung. Eine weitere Hörrunde kann zur Aufmerksamkeitserhaltung mit Arbeitsaufgaben inhaltlicher Art versehen werden. Hier achtet man darauf, diese Arbeitsaufgaben nicht in Form von lehrergelenkten Verständnis-
oder Überprüfungsfragen zu gestalten. Der Informationsaustausch erfolgt in neuer und erweiterter Zusammensetzung der Lernenden. Als Abschluss wird der Text noch einmal angehört.
Die Dauer der gesamten Aktivität wird mit etwa vierzig Minuten veranschlagt.
B) Hörverstehen. Sprechen. Lesen
An diese Aktivität anschließen kann ein detailorientiertes Hörverstehen, eine Aktivität zum Sprechen oder ein ähnlich
wie das authentische Hören strukturiertes authentisches Lesen.
1) Individuelles Lesen
Lesetexte sind authentisch, vielfältig in Inhalt und Form, natürlich in ihrer Komplexität und von variabler, aber begrenzter Lange. Sie sind darüber hinaus für Lernende
und Lehrende interessant. Mit einer Zeitvorgabe, die das doppelte Maß der Zeit ist, die Lesende für das Lesen eines muttersprachlichen Textes benötigen, werden die Lernenden eingeladen, die ihnen vorgelegten Kurztexte individuell, leise und aufmerksam durchzulesen. Darauf
tauschen die Lernenden in Paaren oder Kleingruppen Informationen aus.
2) Individuelles Lesen, interessante Wörter unterstreichen
Bei einem nächsten aufmerksamen individuellen Lesedurchgang sollen drei bis vier Wörter unterstrichen werden, die von den Lernenden für interessant gehalten werden, deren Bedeutung sie kennen möchten. In Paaren wird danach der Versuch unternommen, die Wortbedeutungen zu klären. Hier nicht klärbare Wortbedeutungen werden dem Plenum vorgelegt. Erst dann schaltet sich die Lehrperson für die Bedeutungsentschlüsselung ein.
3) Gemeinsames Wörterbuch, individuelles lesen
Ein individuelles Lesen mit Zeitvorgabe und einem neuerlichen Auftrag zum
unterstreichenden Hervorheben unbekannter Wörter von Interesse sowie ein Informationsaustausch zu zweit oder dritt in neuer personeller
Zusammensetzung und ein , .gemeinsames Wörterbuch", wie oben beschrieben, folgen. Den Abschluss einer solchen Authentischen Leseaktivität' bildet ein individueller Lesedurchgang.
C) Lingua Puzzle - Schreiben
Die zentrale detailorientierte Hörverstehensaktivität ist das ,.Lingua Puzzle". Aus einem bereits anhand der oben beschriebenen Hördurchgänge global verstandenen Hörtext
wird eine Hörtextpassage von etwa zwanzig bis dreißig Sekunden Länge erneut präsentiert, mit dem Ziel der vollständigen Rekonstruktion der Passage durch die Lernenden anhand einer schriftlichen Fixierung. Die Einladung an die Lernenden lautet, so viel wie möglich während des wiederholten Hörens mitzunotieren. Die gewählte Passage wird fünf- bis zehnmal abgespielt. Danach vergleichen die Lernenden in Paaren ihr auf diese Weise entstandenes Lautgruppen- oder Wortpuzzle,
korrigieren und ergänzen es. Die Hörtextpassage wird erneut mehrere Male angehört, das Puzzle wird individuell weiter aufgefüllt und in neuer Paarzusammensetzung verglichen, korrigiert und ergänzt. Eine weitere mehrmalige Hör- und Notierrunde in Einzelarbeit folgt. Informationen werden nun in Gruppen von drei oder vier Lernenden ausgetauscht. Sobald ein großer Teil des Textes, möglichst neunzig bis hundert Prozent, von der Gruppe oder einzelnen Gruppenmitgliedern schreibend
rekonstruiert worden ist, wird der Text von den Lernenden in Gemeinschaftsarbeit der Lehrperson diktiert und von dieser nur alle sichtbar schriftlich fixiert. Hierbei werden zunächst alle von den Lernenden vorgeschlagenen Alternativen notiert. Unklarheiten werden durch gezieltes Anhören der jeweiligen Textpassage auf dem Tonband von den Lernenden selbst geklärt. Der Tafelanschrieb, der die korrekte Version des Hörtextausschnitts wiedergibt, wird von den Lernenden abgeschrieben.
Variante: „Listening for detail"
Anstelle des ,,Lingua Puzzles" kann an diesem Ort des Unterrichtablaufs auch eine Übung nach dem Prinzip des ,.Suche X" eingesetzt werden. Hier ist die
Arbeitsanleitung für die Lernenden, aus einem im globalen Sinn bekannten Hör- oder Lesetext ein bestimmtes, von der Lehrperson vorgegebenes sprachliches Element herauszuhören und zu notieren oder anzustreichen. Die Lehrperson sucht diese Elemente in der Regel aus den
linguistischen Bereichen Phonetik und Intonation, Lexik, Semantik, Syntax aus. Bei der Auswahl der Elemente orientiert sie sich am jeweiligen Text und an der Sprach- und Lerntheorie des Fremdsprachenwachstums. Nach mehrmaligem Anhören beziehungsweise aufmerksamem, individuellem
Durchlesen werden die X-Elemente notiert oder unterstrichen. Die Ergebnisse werden in Paaren oder Dreiergruppen verglichen, diskutiert und ergänzt. Neuerliches mehrmaliges Anhören respektive Durchlesen und individuelles Ergänzen der Liste der X-Elemente sowie
Informationsaustausch in neu zusammengesetzten Paar- oder Kleingruppen folgt. Eine komplette Liste der im Text vorhandenen X-Elemente wird von der Lehrperson verteilt oder diese Liste wird im Plenum von den Lernenden mithilfe der Lehrperson erstellt. Abschließend wird der Text noch einmal gehört oder individuell gelesen.
Hier werden zur authentischen, freien mündlichen Sprachverwendung im Unterrichtskontext Simulationen und Rollenspiele vorgeschlagen, die das inhaltliche Interesse der Lernenden erwecken:
Zur freien schriftlichen Produktion werden Tagebucheintragungen, Artikel, Essays, Postkarten, Kurznotizen etc. vorgeschlagen. Schreibinhalte ergeben sich daraus, was für die
einzelnen Lernenden im Hier-und-Jetzt Bedeutung hat.
Die Gesprächskonstruktion
Als Aktivität, die in der mündlichen Anwendung die Sprachform zum Thema macht, wird die Gesprächskonstruktion genannt. Die Lehrperson beschreibt den
Lernenden Personen und Handlung, Ort und Zeit eines Gesprächs, deren sprachliche Realisierung in sechs bis zehn Äußerungspaaren sie im Wortlaut im Kopf und auf einem Blatt notiert hat. Sie lädt nun die Lernergruppe ein, mit ihrer gestischen, mimischen oder verbal
kommentierenden Unterstützung diesen Dialog schrittweise zu konstruieren. Hierbei gilt die Version, die die Lehrperson im Kopf hat, als die Richtige1. Angebote von Lernerseite
können nun sprachlich korrekt und dennoch nicht „richtig" sein. Alle Lernervorschläge werden diskutiert und in einem gemeinsamen Gespräch wird ihre Abweichung von der Originalversion eingestuft. Ist das erste Äußerungspaar- Rede und Gegenrede, Frage und Antwort
etc. - etabliert, memorisieren es die Lernenden in Paaren. Das nächste Äußerungspaar wird mit verbaler, mimischer, gestischer Hilfe der Lehrperson von der Lerngruppe konstruiert und gemeinsam mit dem ersten Äußerungspaar
wiederum zu zweit memorisiert. Dieser Vorgang wiederholt sich bis zur vollständigen Konstruktion/Rekonstruktion und Memorisierung des - von der Lehrperson in Anlehnung an reale Gesprächssituationen erdachten und allein dieser im Wortlaut zu Beginn der Aktivität bekannten -
Dialogs. Die Lernergruppe diktiert der Lehrperson den Dialog. Diese schreibt ihn für alle sichtbar auf. Die Lernenden übertragen ihn in ihr Heft. Auch Substitutionsübungen innerhalb etablierter Dialoge werden zum Training der ,Sprechwerkzeuge' angeboten.
Im Bereich der schriftlichen Produktion schlägt man den Einsatz von Lückentexten, „weißen Inseln" vor, mit Hilfe derer sich die Lernenden auf formale Aspekte
der Fremdsprache konzentrieren sollen.
Die Abfolge der Aktivitäten wird als im Prinzip beliebig beschrieben. Von diesem Prinzip gibt es eine Ausnahme: Hör- und Leseaktivitäten, die auf das Detail oder die
sprachliche Form hin orientiert sind, wie das „Lingua Puzzle", die Suche X-Übung und die weißen Inseln werden an Texten oder Textausschnitten angewendet, die im Unterrichtskontext bereits einer sogenannten authentischen Aktivität unterzogen wurden und daher ein globales
Verstehen derselben vorausgesetzt werden kann.
Sprache ist ein System von phonetisch oder graphisch realisierten, mit Bedeutungen verbundenen Zeichen mit unendlichen lexikalischen Kombinationsmöglichkeiten, die durch Prinzipien und Regeln streng organisiert sind.
Was von Sprache hörbar und sichtbar wird, ist nichts anderes ais die wahrnehmbare Projektion der mentalen Mechanismen und ihrer komplexen Interaktion.
Ausgehend von der Annahme der rationalistischen Linguistik, „dass Mensche
menschlicher Sprache spezialisiert ist", sie über ein angeborenes Sprachwissen verfügen, das als „fixer Kern" mächtiger
formaler Prinzipien und offener Parameter beschrieben wird, wird Sprachenlernen als ein Vorgang des Parametersetzens und des Parameterstabilisierens interpretiert. Mit
Chomsky nimmt man an, dass jeder Mensch die Prinzipien der verschiedenen Subsysteme von Sprache und die Art ihrer Interaktion sowie die Parameter, die diesen Prinzipien zugeordnet sind, unbewusst-intuitiv weiß. Gelernt werden die Werte der Parameter und anfällige Ausnahmen. Jeder Fremdsprachen Lernende hat die muttersprachlichen Parameter gesetzt und in
der Regel auch stabilisiert. Beim Fremdsprachen Lernen geht es nun darum, jene Parameter, die von den Muttersprache-Parametern abweichen, neu zu setzen respektive zu differenzieren und erneut zu stabilisieren.
Eine Fremdsprache im unterrichtlichen Kontext zu lehren, heißt im Rahmen des Fremdsprachenwachstums, Kontakte mit der
Wirklichkeit zu organisieren. Im konkreten Falle des fremdsprachlichen Unterrichts repräsentiert der Text die Wirklichkeit. Die Kontakte sind möglichst frei zu halten von sogenannten pädagogischen und/oder erzieherischen Interventionen im weiteren und engeren Sinne. Lehren
orientiert sich in der Art und Weise, wie fremdsprachliche Kontakte organisiert werden, an Erkenntnissen über die neurobiologischen Grundvoraussetzungen menschlicher Lernfähigkeit im Allgemeinen und menschlicher Sprachlernfähigkeit im Besonderen. Dies zu spezifizieren bedient
es sich der Theorie der Universalgrammatik. Fremdsprachenlehren ist eine im Sinne der Erkenntnisse der Universalgrammatik zu gestaltende Inputbereitstellungs-, Unterrichtsablaufplanungs- und Organisationsaufgabe.
Dem Kontext im räumlichen Sinne wird keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die immer schon vorhandenen und reichen Quellen der inneren Ausstattung, die jeden Menschen zum
Spracherwerb prädestiniert, machen eine besondere Gestaltung des räumlichen Lernumfelds weitgehend unnötig. Für einen Sprachkurs für selbstverständlich hält man eine Anordnung der Unterrichtsmöbel in einer Weise, die eine ungestörte akustische Wahrnehmung von Lerneräußerungen
möglich macht.
Der Auffassung von Fremdsprachen-Lernen im unterrichtlichen Kontext als Bewahrung und Nutzung der immer schon vorhandenen, allein den Menschen eigenen Sprachlerneignung sind
auch die Ziele von Sprachunterricht beigeordnet.
Die zentralen Techniken des Lernens sind das aufmerksame, auf Verstehen gerichtete Anhören und Lesen von Texten. Dialoge, die in ihrer konkret sprachlichen
Einzelgestalt nur der Lehrperson bekannt sind, werden mit deren mimischer, gestischer und kommentierender Hilfe von der Gesamtgruppe ratend (re)konstruiert. Das Niederschreiben von Gehörtem wird als Hilfe zur Speicherung von Daten im Gedächtnis eingesetzt.
Der Abwechslung des Wahrnehmungs- und Aktivitätsmodus - Hören, Lesen, Texte zerschneiden und wieder zusammenzustellen, die körperliche Bewegung in den
Informationsaustauschphasen wird Bedeutung beigemessen. Diese Abwechslung zu organisieren ist Aufgabe der Lehrperson. Sie wählt aus den im Kursdesign beschriebenen Inhalts- und formorientierten Aktivitäten aus. Das Bereitstellen von Texten, das Entwerfen von Aufgaben zur
Beobachtung von Sprachdaten, das Formulieren von Arbeitsanweisungen an die Lernenden sind zentrale Lehrtechniken.
Geht man von den Konzepten des Fremdsprachenwachstums aus, so ist anzunehmen, dass Lernende prinzipiell und Idealerweise mit dessen lerntheoretischen Annahmen übereinstimmen
und bereit sind, sich der Erfahrung eines so konzipierten fremdsprachlichen Lernangebots auszusetzen.1 Lernende wissen und lernen im Laufe von Unterricht demnach zu akzeptieren, dass „die wichtigste Grundlage effizienten Fremdsprachenlernens der aufmerksame Kontakt
mit Texten ist, die sie verstehen wollen.
Sie schätzen idealerweise die intime, im Vergleich zu Plenumsbesprechungen weniger hemmende Atmosphäre von Textarbeit in Paaren und Kleingruppen, sowie die
dadurch erhöhte Redezeit für jede einzelne Person. Sie lernen die Mitlernenden als gleichwertige Partner und bereichernde Informanten zu akzeptieren und bauen durch die gemeinsame Arbeit Gruppenidentität auf.
Mit den Gruppenmitgliedern und der Lehrperson teilen sie die Einsicht, dass allein selbstgewolltes, selbstbestimmtes, entdeckendes und kooperativ-reflektierendes,
von Kontrollen und lehrerseitigen Erklärungen weitgehend freies Lernen zielführend ist.
Abgeleitet von der Maxime, dass es die Aufgabe des Unterrichts sei, „möglichst realistisches sprachliches Material anzubieten", konzentrieren sie sich auf
die Suche nach thematisch interessanten, komplexen, ästhetisch und pragmatisch vielfältigen Texten aus dem reichen Angebot der diskursiven Realität. Hierbei lassen sie sich von ihren eigenen thematischen Interessen und einem sensibel beobachteten Gruppeninteresse sowie ihrem
ästhetischen Empfinden leiten.
Sie sind angehalten, den Lernenden eine direkte Begegnung mit diesen Texten zu bieten, unbeeinflusst von einschränkender Planung sprachlicher und/oder pädagogischer
Progression. Ihre Richtlinie ist, eine „aufwendige pädagogische Maschinerie von Motivations-, Erwartungs- und Vorentlastungsaktivitäten sowie sprachsystematische Erklärungen" zu vermeiden. Sie sollen Unterricht so gestalten, dass Texte für sich wirken.
Interaktionsdynamische Konstituenten
In der Auseinandersetzung mit den Texten agieren die einzelnen Lernenden autonom. Sie bringen ihre individuell variierenden Wissensbestände in die Paar- und
Kleingruppen sowie in das Plenum ein. Die Lehrperson agiert hier als wenig inhaltlich steuernd. Sie übernimmt die Rolle einer Informationsquelle und gibt Textbearbeitungsrichtlinien vor.
Das herausragende Kennzeichen der Textmaterialien eines
Fehler in der Sprachproduktion der Lernenden sind den Erwerbsprozess notwendig begleitende Unvollständigkeiten und sichtbarer Ausdruck seiner Bewegung. Sie sind äußere
Zeichen der prozesshaften Annäherung an die korrekte Form der Fremdsprache.
Fehlerkorrektur wird in jeder Form als nicht zielführend abgelehnt. Es wird angenommen, dass Fehlerkorrektur während einer Lerneräußerung die freie, spontane
Rede versiegen lässt, weil Lernende ihre Äußerungen dann auf gesichertere, das sind in der Regel einfachere Ausdrucksebenen verlagern und ihre Risikobereitschaft, ihre Kreativität damit unterbunden wird. Fehlerkorrektur nach einer Aktivität halt man ebenso für sinnlos, weil
man davon ausgeht, dass die Fehlerquellen durch Korrektur nicht beeinflussbar sind.
Fremdsprachenwachstum geht von der Voraussetzung aus, dass Lernende die jeweilige Fremdsprache lernen wollen. Das selbstbestimmte Lernerinteresse tritt an die
Stelle pädagogischer Anstrengungen im Motivationsbereich. Die fehlende Graduierung des sprachlichen Inputs, die diese Methode als eine Bedingung von erfolgreichem Fremdsprachen-Lernen setzt, ist einer der verunsicherndsten und daher auch am häufigsten von Anwendern, Lehrenden
und Lernenden kritisierten Faktoren. Bislang gibt es kein anderes bekanntes Sprachlehrmodell, das die für Unterricht zentrale Frage der Inputgraduierung so radikal beantwortet.
Anlass zu Kritik an der Methode gibt verschiedentlich auch ihre Ausrichtung auf in erster Linie kognitive, streng sachbezogene Interaktionsmuster. Für die .Sache'
steht hier der jeweilige Text in seinen inhaltlichen, vor allem aber in seinen formalen Gestalten. Er ist allein die Basis der Beschäftigung, sowohl in der Lehrer-Lerner-Interaktion, als auch in der Lerner-Lerner-Interaktion. Diese Eingrenzung legt zumindest eine Einschränkung
der Anwendungsmöglichkeiten der Methode auf bestimmte Zielgruppen nahe.
In den seinen Unterrichtsmaßnahmen zu Grunde liegenden theoretischen Annahmen stellt sich dieses Fremdsprachen-Lehr- und Lernkonzept auf die Seite der Universalgrammatik.
Zwar warnen die Verfasser selbst vor unkritischer, vorschneller Übertragung von Erkenntnissen und Methoden einzelner Wissenschaftsdisziplinen auf Unterricht. In der Übertragung der nativistischen Grundannahme, dass Sprache und Sprachfähigkeit dem Menschen angeboren und im
menschlichen Gehirn modular organisiert ist, was (mit Chomsky u.a.) an den allen natürlichen Sprachen gemeinsamen universellen Kategorien erkennbar sei, wagen sie in ihrem eigenen Methodenvorschlag jedoch einen ebensolchen Schritt. Diese Positionierung schafft der Kritik Raum,
Fremdsprachen-Unterricht wurde als Anwendungsfeld linguistischer Theorien missbraucht und die Komplexität fremdsprachlich-unterrichtlicher Prozesse werde damit unzulässig reduziert. Mit seiner Bezugnahme auf eine nativistische Erklärungsweise steht Fremdsprachenwachstum in
Opposition zu den theoretischen Annahmen der vorherrschenden Methodendebatte, bei der der gesteuerten fremdsprachliche Erwerbsprozess als komplexe Interaktion der Lernenden mit ihrer sozialen Umwelt im weitesten Sinne deutet.