Der diurnale Säurezyklus der Sukkulenten
Von Sukkulenten sind die verschiedensten Einrichtungen bekannt, die der
Herabsetzung der Transpiration, auch der stomatären Transpiration
dienen. Eine Verminderung der Transpiration bedeutet aber nicht nur eine
Verminderung der Wasserdampfabgabe, sondern eine Einschränkung des
gesamten Gasaustausches. Sind die Spaltöffnungen gar völlig
geschlossen - und das ist bei vielen Sukkulenten in der Tageshitze der
Fall -, so ist der Gasaustausch mit der Außenluft blockiert.
Damit ergeben sich gewisse Probleme: so erwünscht die Herabsetzung
der Wasserabgabe ist, so unerwünscht ist es, dass nun auch die Aufnahme
des für die Photosynthese benötigten CO2 gehemmt
wird. Ein Ausweg ergibt sich mit dem diurnalen Säurezyklus, der im
Pflanzenreich weit verbreitet ist, aber bei Sukkulenten allem Anschein
nach in Adaption an die genannten Verhältnisse besonders ausgebaut
wurde. Zumindest kennt man derzeit keine bessere Erklärung dafür,
dass der diurnale Säurezyklus gerade bei Sukkulenten ins Extrem getrieben
wurde.
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellte man bei Opuntien fest,
dass über Nacht eine Ansäuerung", während des Tages
eine "Absäuerung" im Pflanzenmaterial eintritt. Entsprechende
Befunde sind inzwischen an vielen weiteren Sukkulenten etwa aus den Gattungen
Bryophyllum, Crassula, Kalanchoe, Kleinia und Sedum gemacht wurden. Immer
lag der pH-Wert (Säurewert) des Zellsaftes gegen Morgen am niedrigsten,
gegen Abend dann am höchsten. Analysen ergaben, dass zwar andere
Säuren in größerer Menge vorhanden sein können, dass
aber die Schwankungen im Säuregehalt im wesentlichen auf Schwankungen
im Gehalt an Malat zurückgingen.
Man
bezeichnet diesen periodischen Wechsel im Säuregehalt als diurnalen
Säurezyklus.
Abb. rechts: Diurnale Schwankungen im pH-Wert und im Gehalt an verschiedenen
organischen Säuren bei Bryophyllum calycinum. Man sieht, wie der pH-Wert
in der Nacht sinkt und der Malat-Gehalt zunimmt.
Isotopenversuche ergaben, dass 14CO2 bei der Ansäuerung
in Malat eingebaut wird. 1936 hatte man entdeckt, dass Bakterien CO2
in Dicarbonsäuren fixieren können. Eine derartige Fixierung
von CO2 findet sich nun auch bei den höheren Pflanzen.
Ober sie wird Malat angeliefert. Die Fixierung des CO2 kann
prinzipiell auch im Licht stattfinden. Sie wird bei Belichtung jedoch
durch das Konkurrenzunternehmen Photosynthese ausgeschaltet, das den C02
nun für sich in Beschlag nimmt. Infolgedessen fällt die genannte
CO2-Fixierung zu Malat nur bei Dunkelheit mengenmäßig
ins Gewicht. Man spricht deshalb nicht ganz korrekt von einer "Dunkelfixierung"
des CO2.
Zusammenfassung:
Sehen wir das Ganze nun noch einmal im Zusammenhang einer Anpassung der
Sukkulenten.
Während
der Nacht überwiegt die Atmung (Verbrauch von O2, Produktion
von CO2).
Das
dabei gebildete CO2 wird aber nicht an die Atmosphäre
abgegeben, sondern nach einer entsprechenden lichtunabhängigen,
wahrscheinlich in zwei Reaktionen verlaufenden Fixierung, in Form
von Malat gespeichert.
Bei Tage kommt es zur Photosynthese. Gleichzeitig steigen die
Außentemperaturen, es kommt zu zunehmend stärkeren Wasserverlusten
durch die stomatäre Transpiration (die Pflanze schwitzt Wasser
aus). Die Transpiration wird nun durch vollständigen oder teilweisen
Verschluss der Spaltöffnungen gedrosselt. Damit ist auch die
CO2-Zufuhr von außen abgesperrt. Doch die Pflanze zieht
nun ihren CO2-Speicher Malat heran: das Malat wird unter Bildung
von C02 zerlegt, das dann zu einer photosynthetischen CO2-Fixierung
auch bei geschlossenen Spaltöffnungen verwendet werden kann.
Das CO2, das in der Nacht durch Atmung gebildet wird,
wird chemisch fixiert und am Tag zur Photosynthese freigegeben, da die
Pflanze am Tag dicht macht und kein CO2 von außen aufnehmen
kann.
Bild:
Hess: "Pflanzenphysiologie, (UTB/Ulmer)
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