Historischer Rückblick
Vor Gregor Mendel war die Genetik noch keine Wissenschaft.
AISCHYLOS (525 - 456 v. Chr.): "Erzeugerin ihres Kindes
ist die Mutter doch nicht, ist Pflegerin nur gesäten Keims, es zeugt
der Vater, sie bewahrt das Pfand, dem Freund die Freundin, wenn's kein
Gott versehrt."
HIPPOKRATES (460 - 377 v. Chr.): "Der Samen geht von dem
gesamten Körper aus, gesunder von gesunden Teilen; kranker von kranken
Teilen. Wenn nun von den Kahlköpfigen Kahlköpfige, von den Blauäugigen
Blauäugige, von den Schielenden Schielende in der Regel gezeugt werden;
und bei andern körper-lichen Gebrechen dasselbe Gesetz obwaltet,
was hindert da, dass von Langköp-figen Langköpfige gezeugt werden?"
ARISTOTELES (384 - 322 v. Chr.): "Die Kinder werden ihren
Eltern ähnlich gebo-ren, sowohl am ganzen Körper als auch an
einzelnen Teilen. , und zwar zeigt sich die Ähnlichkeit nicht nur
in angeborenen, sondern auch in erworbenen Eigenschaften. Denn es ist
vorgekommen, dass, wenn Eltern Narben hätten, die Kinder sie an derselben
Stelle und in derselben Form aufwiesen. In Chalkedon z.B. zeigte sich
bei einem Kind eines Vaters, der eine Brandmarke am Arm hat-te, derselbe
Buchstabe, nur nicht mehr so scharf ausgeprägt, sondern verschwommen."
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749 - 1832): "Vom Vater hab
ich die Sta-tur, des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die
Frohnatur und Lust zu fabulieren. Urahnherr war der Schönsten hold,
das spukt so hin und wieder. Urahnfrau liebte Schmuck und Gold, das zuckt
wohl durch die Glieder. Sind nun die Elemente nicht aus dem Komplex zu
trennen, was ist dann an dem ganzen Wicht original zu nennen."
ARTHUR SCHOPENHAUER (1788 - 1860): "Könnten wir alle
Schurken unschädlich machen und alle dummen Gänse ins Kloster
stecken, den Leuten von echtem Blut ein ganzes Harem beigeben und alten
Mädchen von Geist und Verstand Männer, und zwar ganze Männer,
verschaffen; so würde bald eine Generation entstehen; die ein mehr
als Perikleisches Zeitalter darstellt."
CHARLES DARWIN (1809 - 1882): "Was kann wunderbarer sein
als die Tatsache, dass eine unbedeutende Eigenschaft durch die männlichen
oder weiblichen Geschlechtszellen übertragen wird, die so winzig
sind, dass sie dem unbewaffneten Auge unsichtbar bleiben, und dass diese
Eigenschaft dann später durch die ständigen Umwandlungen während
des langen Entwicklungsablaufes entweder im Ei oder in der Gebärmutter
weiter getragen wird, um schließlich in den Nachkommen sichtbar
zu werden; wenn sie herangereift oder gar erst alt geworden sind."
Nach Gregor Mendel wurde die Genetik eine Wissenschaft.
Der Augustinerpater Johann GREGOR MENDEL (1822 - 1884)
war der Entdecker der grundlegenden Gesetze der Genetik. Nach Kreuzungsversuchen
an Erbsen definierte er in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts die
Gene als "Elemen-te", die von den Eltern auf die Nachkommen
nach bestimmten Regeln (Mendelsche Gesetze) vererbt werden.
1900 wurden die Mendelschen Erbgesetze vom Österreicher ERICH
TSCHERMAK VON SEYSENEGG, vom Deutschen KARL E. CORRENS und
vom HOLLÄNDER HUGO DE VRIES unabhängig voneinander neu
entdeckt.
Der Biologe und Forscher CHARLES DARWIN (1809 - 1889) begründete
1859 die Selektions- und Evolutionstheorie. Diese Theorie sollte später
gemeinsam mit der Genetik eine große Rolle in der Biologie spielen.
1871 entdeckte der Schweizer Chemiker FRIEDRICH MIESCHER (1844
- 1895) in seinem Tübinger Labor in den Spermien von Rheinforellen
ein Riesenmolekül, dessen chemische Zusammensetzung er als "phosphorhaltige
Säure" beschrieb. Sie wurde später als Desoxyribonukleinsäure,
DNA. bezeichnet.
Der deutsche Zellforscher WALTER FLEMING (1843 - 1905) stieß
ca. 1871 auf fadenähnliche Gebilde im Zellkern. Er gab ihnen den
Namen "Chromosomen", weil sie erst nach Färbung sichtbar
wurden.
WALTER SUTTON (1876 - 1916), ein Amerikaner, erkannte einige Jahre
später, dass sich " Flemings Chromosomen " bei Zellteilung
genauso verhielten, wie die Mendelschen Erbmerkmale (Gene): Beide, Gene
und Chromosomen treten jeweils paarweise auf. Tiere, Pflanzen und Menschen
besitzen in jedem Kern ihrer Zellen eine konstante Zahl von Chromosomenpaaren.
Somit waren auch die Träger der von Mendel entdeckten Erbmerkmale
gefunden.
1923 gelang es dem amerikanischen Genetiker THOMAS HUNT MORGAN
(1866 - 1945), die Lage der Gene auf den Chromosomen zu lokalisieren.
Er erstellte für Insektenarten die so genannten "Morgan'schen
Gen-Karten", eine Art geneti-sche Landkarte.
HERMANN JOSEPH MULLER, ein Schüler Morgans, machte 1926 eine
Entdeckung, die in unserem Atomzeitalter von Bedeutung ist. Er erkannte,
dass sich die Erbmerkmale unter Einwirkung von ionisierenden Strahlen
verändern können; dass Strahlen also Mutationen in der Erbsubstanz
bewirken. Später erkannte man, dass Mutationen in Zusammenhang mit
Krebserkrankungen stehen können.
Bisher hatte man der DNA keine größere Bedeutung zugestanden,
weil man sie nicht einzuordnen wusste. Erst 1944 identifizierte der Amerikaner
THEODORE AVERY (1877 - 1955) die DNA als die Substanz der Vererbung.
Er wies also nach, dass die Kernsäure DNA die Trägerin der genetischen
Information ist.
Die drei Molekularbiologen FRANCIS H. C. CRICK, JAMES D. WATSON UND
MAURICE H. F. WILKINS bekamen 1962 den Nobelpreis für Medizin
für die Entschlüsselung der räumlichen Struktur und der
Funktion der DNA.
Die Amerikanerin BARBARA MCCLINTOCK (1902 - 1992) erkannte in
den zwanziger Jahren bei Experimenten an Mais das Crossing-over (Austausch
einzelner Chromosomen - Abschnitte und der dabei resultierende Austausch
von genetischer Information). 1983 erhielt sie den Nobelpreis für
ihre Entdeckung der springenden Gene, die in der Gentechnologie von allergrößter
Bedeutung sind. (DNA - Bereiche, die innerhalb eines Chromosoms oder auch
von Chromosom zu Chromosom hin und her springen können).
HAR GOBIND KHORANA (geb. 1922), ein indischer Chemiker und Nobelpreisträger,
arbeitete an künstlichen Genen bzw. an der Laborsynthese dieser.
1976 gelang es ihm, ein menschliches Gen im Reagenzglas nachzubauen und
es in Zellen, die durch einen genetischen Defekt dieses Gens beraubt waren,
einzuschleusen und dort zum Arbeiten zu bringen.
1967 entdeckte der Schweizer Mikrobiologe WERNER ARBER (geb. 1929)
in Bakterien die Restriktions-Enzyme, "Scheren", mit denen
die Erbsubstanz DNA an typischen Stellen aufgeschnitten werden kann. Für
die Entdeckung, Isolierung und Charakterisierung der Restriktionsenzyme
erhielt er 1978, zusammen mit D. NATHANS und H. O. SMITH, den Nobelpreis
für Medizin.
Einer der prominentesten Vertreter der modernen Gentechnologie ist der
amerikanische Naturwissenschaftler und Biochemiker PAUL BERG (geb.
1926). Er erkannte sehr früh die Möglichkeiten, die sich aus
dem Einschleusen von "Produktions-Genen" in (bakterielle) Wirtszellen
ergeben würden. Er besaß aber auch den Blick für die potentiellen
Gefahren und Risiken der Gentechnologie und gehört gemeinsam mit
Chargaff zu den bekanntesten Kritikern der gentechnischen Forschung.
Der Amerikaner HERBERT BOYER (geb. 1936) beschäftigte sich
als Biochemiker mit der Untersuchung von Restriktions-Enzymen. 1972 traf
er zufällig mit STANLEY COHEN zusammen, der sich mit dem Einschleusen
von bakteriellen Plasmiden (DNA - Moleküle, die von einer Zelle in
eine andere geschleust werden können; man kann sie als Träger
von bestimmter DNA benützen) beschäftigte. Beide begriffen,
was aus der Kombination ihres Know-how entstehen konnte, nämlich
das Cohen - Boyer - Patent: Mit Boyers Restriktions-Enzymen ließen
sich Plasmide aufschneiden und, mit neuen Genen als "Tritt-brettfahrer",
über Cohens Verfahren in Wirtszellen einschleusen.
Die Konferenz von Asilomar (1975)
Die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Gentechnologie veranlasste
elf US-Biochemiker und Molekularbiologen, darunter PAUL BERG und JAMES
WATSON, in einem Moratorium den vorläufigen Verzicht auf bestimmte
gentechnologische Versuche zu fordern (beispielsweise Versuche mit Krebsgenen)
- so lange, bis man mehr Erfahrungen mit dieser neuen Methodik, und vor
allem deren Ergebnissen gemacht hätte. Darüber diskutierten
im Februar 1975 über hundert Wissenschaftler im kalifornischen Asilomar.
Ergebnis der Konferenz: Gentechnologische Experimente mit menschlichen
Krebsgenen wurden verboten; Experimente mit potentiellen Krankheitserregern
dürfen nur mit Sicherheitsstämmen - das sind Mikroorganismen,
die besonders von den Laborbedingungen abhängig sind und daher außerhalb
von diesem nicht überlebensfähig sind - in besonders eingerichteten
Laboratorien geschehen.
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