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Vergleich: Raumschiff Apollo XIII – Raumschiff Erde
Die Landung des Raumschiffes Apollo XIII auf dem Mond war für 19
Uhr Ostküstenzeit vorgesehen, doch die Mondlandefähre von Apollo
13 kam nie dort an, denn während sich das Raumschiff dem Mond näherte,
zerstörte eine Explosion das wichtigste Lebenserhaltungssystem an
Bord. So musste die Mondlandefähre als "Rettungsboot" herhalten,
um die Astronauten sicher zur Erde zurückzubringen. Drei Tage lang
beherrschte der dramatische Rückflug die Aufmerksamkeit der ganzen
Welt, bis die drei Astronauten aus dem lebensfeindlichen Weltraum zur
Erde zurückgekehrt waren. Die Nationen ließen ihre Sorgen
und Konflikte kurzfristig außer acht und boten Beistand und Hilfe
an. Als es ums Überleben ging, war die Welt sich einig, wenn auch
nur für diese kurze Zeit.
Die Geschichte von Apollo 13 ist nicht nur ein Beispiel menschlichen
Mutes und Einfallsreichtums angesichts einer drohenden Katastrophe, sondern
auch ein hervorragendes Bild der Lage, in der sich das "Raumschiff Erde"
seit Beginn der weltweiten Industrialisierung befindet. Unser globales
Lebenserhaltungssystem, das uns mit Luft, Wasser, Nahrung und Energie
versorgt, wird gegenwärtig durch Umweltverschmutzung, schlechtes
Management und eine ständig wachsende Weltbevölkerung übermäßig
beansprucht.
Es ist an der Zeit, die Warnsignale, die bereits an verschiedenen Orten
zu beobachten sind, ernstzunehmen; als Beispiele seien nur die alarmierend
schnell fortschreitende Erosion guter Ackerböden und die sterbenden
Wälder in den Industrieregionen genannt.
[1] Der Countdown:
Geplant war Apollo 13 als ein zehn Tage dauernder Einsatz: je drei Tage
für den Hin- und Rückflug und vier Tage für die Mondumkreisungen,
während derer die Landefähre als Auftakt für einen 33stündigen
Aufenthalt weich auf der Mondoberfläche landen sollte. Für die
Zeit auf dem Mond waren zwei Erkundungsgänge von je vier bis fünf
Stunden Dauer vorgesehen, um Messinstrumente aufzustellen und Felsbrocken
(geplant waren etwa 50 Kilogramm) einzusammeln. Zum ersten Mal sollte
ein Bohrgerät benutzt werden, um der felsigen Oberfläche Proben
zu entnehmen. Ebenfalls erstmalig war beabsichtigt, farbige Fernsehbilder
zur Erde zu senden. Die Landung war für das Gebiet Fra Mauro vorgesehen,
das nach einem Mönch des 15. Jahrhunderts, einem Geographen und Kartographen,
benannt ist. Es handelt sich bei diesem Gebiet um ein flachwelliges Gelände
am Fuße eines Berglandes mit zahlreichen Kratern. Man vermutet,
dass die Felsen dort die ältesten auf dem Mond überhaupt sind
und vielleicht sogar aus der Entstehungszeit dieses unbelebten Himmelskörpers
stammen.
Am 11. April 1970 wurde Apollo 13 als fünftes Raumschiff in der
Serie der Apollo-Mondmissionen von Cape Canaveral in Florida aus gestartet.
Ein knappes Jahr zuvor, in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1969, hatte
Neil Armstrong, während er aus der Mondlandefähre von Apollo
11 stieg und als erster Mensch den Mond betrat, seine historischen Worte
gesprochen: "Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein gewaltiger
Sprung für die Menschheit." Im November 1969 gelang dann Apollo 12
die zweite erfolgreiche Landung auf dem Mond. Die während dieser
Missionen gemachten Aufnahmen der Erde zeigten uns, wie einzigartig und
schön unser Planet ist und wie zerbrechlich und allein im Weltraum
er erscheint. Diese Bilder trugen ihren Teil dazu bei, dass 1970
in den USA der erste "Tag der Erde" (Earth Day) ausgerufen wurde
und dass sich das Augenmerk der Welt verstärkt auf die Gefährdung
unseres Lebensraumes und andere Bedrohungen richtete.
Das Raumschiff Apollo 13 bestand aus drei Einheiten:
1) der Antriebs- und Versorgungseinheit (Betriebseinheit)
mit den großen Raketentriebwerken, den Brennstoffzellen und anderen
lebenswichtigen Anlagen für die Strom-, Sauerstoff- und Wasserversorgung,
2) der Kommandokapsel mit dem Namen Odyssey als Heim der
Astronauten und
3) der Mondlandefähre Aquarius, die sich für
den kurzen Ausflug zur Mondoberfläche und zurück von der Kommandoeinheit
trennen sollte.
Drei Astronauten saßen in der Kommandokapsel, als Apollo 13 an
jenem schönen Morgen in Florida seine Reise antrat: Captain James
A. Lovell, der Kommandant, Fred W. Haise jr., der Pilot der Landefähre,
und John L. Swigert jr., der als Pilot der Kommandokapsel erst im letzten
Moment als Ersatzmann in das Apollo-Team gekommen war. Swigert nahm den
Platz von Lieutenant Commander T. K. Mattingly ein, der sich möglicherweise
mit Röteln infiziert hatte und vielleicht während des Fluges
daran erkrankt wäre.
Bild: Lovell, Haise und Swigert
Countdown und Start von Apollo 13 verliefen problemlos. Kurz vor dem
Verlassen der Erdumlaufbahn kommentierte Captain Lovell: "Schön,
wieder hier oben zu sein." Lovell hatte bereits mit Apollo 8 den Mond
umkreist. Während der folgenden beiden Tage verlief der Flug ohne
Probleme und derart routiniert, dass die Medien ihr Interesse daran verloren
und sich anderen Ereignissen zuwandten. Am Abend des zweiten Tages, nach
einer Fernsehübertragung aus dem Inneren des Raumschiffes, schloss
Lovell die Sendung mit den Worten: "Die Mannschaft von Apollo 13 wünscht
allen Zuschauern einen schönen Abend. Wir beenden hier gerade unsere
Inspektion und werden uns einen angenehmen Feierabend in der Odyssey machen."
[2] Die Explosion:
Am 13. April, als das Raumschiff sich dem Mond näherte, ereignete
sich um 22.08 Uhr eine Explosion in der Antriebs- und Versorgungseinheit.
Auf auf der Schalttafel leuchteten in der Kommandokapsel die Alarmsignale
auf. Swigerts Stimme klang scharf: "Wir haben ein Problem hier oben."
Im Raumfahrtzentrum in Houston antwortete Bodensprecher Jack Lousma: "Bitte
wiederholen." Captain Lovell erwiderte, es habe gerade einen Spannungsabfall
in einer der beiden Hauptstromversorgungen gegeben, und fügte hinzu:
"Es hat außerdem ziemlich heftig geknallt." Dann fiel der Druck
in einem der beiden Sauerstofftanks der Versorgungseinheit auf null ab,
und im anderen Tank begann er ebenfalls zu sinken. Sehr schnell war klar,
dass die Explosion einen oder sogar beide Tanks aufgerissen hatte. Die
Astronauten sahen das kostbare Gas seitlich aus der Versorgungseinheit
entweichen. Zwei der drei Brennstoffzellen ließen in ihrer Leistung
ebenfalls sehr rasch nach, da sie für die Stromerzeugung Sauerstoff
benötigten.
Alle Gedanken an eine Mondlandung wurden nun aufgegeben. Im Kontrollzentrum
verfielen Mitarbeiter und Computer in eine fieberhafte Aktivität,
um Rettungsmaßnahmen auszuarbeiten, wobei die Mondlandefähre
mit ihrem unabhängigen Versorgungssystem als "Rettungsboot"
dienen sollte. So wurde kurz nach Mitternacht die umfangreichste und
weitreichendste Rettungsaktion der Geschichte in Szene gesetzt, mit mehr
als tausend Beteiligten im Kontrollzentrum in Houston und noch unzähligen
weiteren auf Schiffen im Pazifik, wo die Astronauten schließlich
würden landen müssen.
Es war nicht sofort klar, wie lange die Kommandokapsel noch benutzbar
sein würde. Die ankommenden Informationen hinsichtlich noch vorhandener
"Verbrauchsgüter" waren zu unvollständig, um einschätzen
zu können, wie viel Zeit überhaupt zur Verfügung stand,
um die Astronauten sicher zur Erde zurückzuholen. Während versucht
wurde, aus den bruchstückhaften Nachrichten ein klares Bild zu gewinnen,
verging wertvolle Zeit. An dieser Stelle sollten wir uns daran
erinnern, dass wir uns auf der Erde in einer ganz ähnlichen Situation
befinden: Weder verfügen wir über vollständige Kenntnisse
hinsichtlich unserer lebenserhaltenden "Verbrauchsgüter", noch
verstehen wir, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Wir wissen auch
nicht, wie viel Zeit uns auf Erden bliebe, sollte sich eine atomare Katastrophe
ereignen.<
Lovell und Haise zogen in die Mondlandefähre um und schalteten deren
Strom- und Sauerstoffversorgung ein. Swigert blieb in der Kommandokapsel
zurück, wobei er über einen von einem Raumanzug abgetrennten
Schlauch mit Sauerstoff aus der Landefähre versorgt wurde. Auf die
gleiche Art erhielten die Astronauten mittels eines behelfsmäßig
verlegten Verlängerungskabels zunächst die Stromversorgung aufrecht.
Glücklicherweise gelang es, das Raumschiff zur Rückseite des
Mondes und von dort dann weiter zur Erde zu lenken. Man setzte die Raketenmotoren
der Mondlandefähre ein, weil man nicht riskieren wollte, das eventuell
beschädigte Haupttriebwerk in der Antriebseinheit zu zünden.
Alle vier erforderlichen Zündungen erfolgten reibungslos.
Während des drei Tage dauernden Rückfluges
versuchten die Astronauten, so sparsam wie möglich mit ihren knappen
Strom- und Sauerstoffvorräten umzugehen. Es war eine sehr unangenehme
Zeit, da die Temperatur in der Kabine fast auf den Gefrierpunkt sank.
Kohlendioxid erreichte eine gefährliche Konzentration im Inneren
der Landefähre, denn der Vorrat an Lithiumhydroxid, welches das Kohlendioxid
absorbieren sollte, war nur für die begrenzte Zeit der Mondlandung
berechnet. Ein behelfsmäßig verlegter Schlauch sorgte für
den Anschluss an die Lithiumhydroxidkanister in der Kommandokapsel.
Als das Raumschiff die Erdatmosphäre erreichte, war noch genügend
Energie vorhanden, um die Batterien der Odyssey aufzuladen, so dass die
Besatzung dorthin zurückkehren konnte. Die Antriebseinheit und die
Mondlandefähre wurden abgesprengt, und die zurückbleibende Kommandokapsel
sank an Fallschirmen abwärts den wartenden Schiffen entgegen.
Später fragten sich die Abergläubischen unter uns, warum die
NASA dem ganzen Unternehmen die Nummer 13 gegeben hatte. Da die Antriebs-
und Versorgungseinheit nicht zur Erde zurückkehrte, konnte die Ursache
der Explosion nie vollständig geklärt werden. Die NASA gab bekannt,
dass die wahrscheinliche Ursache ein Kurzschluss gewesen sei, entweder
in einem Ventilator in einem der Sauerstofftanks oder in der dazugehörenden
Verkabelung. Man ordnete eine sofortige Abwandlung der Konstruktion an
- die Ventilatoren wurden entfernt und die Verkabelung geändert.
Während der folgenden fünf Mondflüge - Apollo 18 war der
letzte - gab es keine weiteren Probleme mit den Sauerstofftanks.
Ein paar Schwierigkeiten, die während des Rückfluges aufgetreten
waren, kamen noch ans Licht. Durch auslaufendes Wasser bekamen die Astronauten
nasse Füße, und die wachsende Urinmenge schaffte ein weiteres
Problem in der überfüllten Mondlandefähre. Dies erinnert
uns an das Problem der Abfallbeseitigung in einer übervölkerten
Großstadt. Da das Ablassen des Urins in den Weltraum durch
den auftretenden Rückstoß eventuell eine Kursveränderung
nach sich gezogen hätte, wurde er in Plastikbeuteln gesammelt, die
sich für andere Zwecke an Bord befanden. Fraglich war auch, was mit
den dreieinhalb Kilogramm Plutonium zu tun war, die eigentlich auf dem
Mond hätten bleiben sollen, um dort Versuchsaufbauten mit Energie
zu versorgen. Hier mag man an die ungelösten Probleme denken,
die beim Umgang mit radioaktiven Abfällen auf der Erde entstehen.
Am Ende entschloss man sich, das Plutonium mitsamt der abgesprengten Mondlandefähre
im Pazifik zu versenken. Und so liegt nun irgendwo in den Tiefen des Ozeans
ein radioaktiv strahlendes Mahnmal des vom Pech verfolgten Raumschiffes
Apollo 13.
[3] Unterschiede zwischen den Lebenserhaltungssystemen eines Raumschiffes und der Erde:
Die Lebenserhaltungssysteme, die man bisher in der bemannten Raumfahrt
verwendet hat, sind mechanisch gesteuerte "Speichersysteme". Zum
größten Teil werden lebensnotwendige Güter wie zum Beispiel
Sauerstoff und Nahrung auf der Erde hergestellt, an Bord gespeichert und
nicht - wie es auf der Erde der Fall ist - laufend neu erzeugt. Entsprechend
werden Abfallprodukte wie Kohlendioxid und Urin nicht wiederverwertet,
sondern (in chemisch gebundener Form) gelagert. Im Gegensatz zu einem
Raumschiff ist die Erde bioregenerativ: Pflanzen, Tiere und vor allem
Mikroorganismen wirken zusammen, um die natürlichen Lebensgrundlagen
fortlaufend zu regenerieren, wiederzuverwerten und zu steuern.Da aber
das Lebenserhaltungssystem der Erde nicht vom Menschen geschaffen ist
und aus einem komplexen Verbund von Teilsystemen besteht, haben wir kein
klares Bild davon, wie das Ganze funktioniert. Bisher sind alle Versuche
fehlgeschlagen, ein bioregeneratives Lebenserhaltungssystem zu entwickeln,
welches eine größere Anzahl von Menschen im Weltraum ohne "Nabelschnur"
zur Erde versorgen könnte. Insofern ist unser Aufenthalt im All durch
die Mengen lebenserhaltender "Verbrauchsgüter", die an Bord mitgenommen
werden können, zeitlich begrenzt.
Im Jahre 1987 hat man mit der Konstruktion einer experimentellen, auf
der Erde verbleibenden "Raumkapsel" begonnen, die zumindest teilweise
in der Lage sein soll, Abfallprodukte wieder in den biologischen Kreislauf
zurückzuführen. Man hat sie Biosphere Il genannt ("Biosphäre
I" ist die Erde). Sie schließt - unter Glas - etwa 8000 Quadratmeter
einer Umwelt ein, die sich aus künstlich geschaffenen sowie natürlich
entstandenen, teils unbeeinflussten, teils landwirtschaftlich genutzten
Geländeanteilen zusammensetzt. Acht Personen als "Besatzung"
wurden zusammen zwei Jahre lang mit der Sonne als einziger Energiequelle
und ohne Austausch von Materialien mit der Außenwelt dort leben
können. Ein Informationsaustausch mit der Umgebung (zum Beispiel
über Radio und Fernsehen) war möglich, so als sei die Kapsel
tatsächlich in den Weltraum geschickt worden. Das Experiment hat
Anfang 1991 begonnen.
Das Projekt schlug fehl. Über die Erkenntnisse aus solchen Projekten
wie Biosphere II hinaus müssen wir jedoch noch viel darüber
lernen, wie die gegenwärtigen realen Lebenserhaltungssysteme unserer
Erde, also von Biosphäre I, funktionieren. Mit diesem Wissen können
wir nicht nur die Qualität jener Systeme erhalten und pflegen, sondern
vielleicht eines Tages auch autarke Raumschiffe bauen und sogar daran
denken, Raumkolonien großen Stils zu errichten. Noch wichtiger wird
es allerdings sein, zu verstehen, wie die lebenserhaltenden und für
uns "kostenlosen" (nicht mit einem Preisschild versehenen und als
selbstverständlich hingenommenen) Güter und Dienstleistungen,
die uns die natürliche Umwelt zur Verfügung stellt, funktionieren.
Im weitesten Sinne liefert die Ökologie somit den Hintergrund für
ein Verständnis von Biosphere I, unserer Welt, die uns (noch) erträgt.
Quelle: Odum E.: "Prinzipien der Ökologie", Spektrum
Bilder: NASA;
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