Vorgänge an den Synapsen
Reizt man beim Frosch die Axone eines bestimmten Nervs, der zum Herzen
führt, wird der Herzschlag langsamer. Dies stellte 1921 der Grazer
Pharmakologe Otto Loewi fest. Um die Ursache dafür zu finden, saugte
er etwas Flüssigkeit von der Herzaußenseite in eine Pipette.
Jedes Mal, wenn er einen Tropfen davon auf das Herz eines zweiten Frosches
brachte, schlug es ebenfalls langsamer. Übertrug er Flüssigkeit,
solange das erste Herz normal schlug, änderte sich auch der Herzschlag
des zweiten nicht. Loewis Folgerung: In der Flüssigkeit befindet
sich ein Stoff, der von den Axonenden abgegeben wird und den Herzschlag
verlangsamt. Dieser Stoff wird nur gebildet, wenn Aktionspotentiale über
die Axone zum Herzen laufen: Es ist Acetylcholin.
Je mehr Aktionspotentiale pro Zeiteinheit am Axonende ankommen, desto
mehr Acetylcholin wird dort aus den Bläschen in den Endknöpfchen
abgegeben. Die Erregung, die in Form von Aktionspotentialen über
das Axon läuft, wird auf chemischem Wege von Zelle zu Zelle weitergegeben.
Dabei kann die Wirkung des Acetylcholins je nach Wirkungsort unterschiedlich
sein: Auf den Herzschlag wirkt es verlangsamend, Skelettmuskeln und Eingeweidemuskeln
kontrahieren sich. Nervenzellen reagieren auf die Ausschüttung von
Acetylcholin mit der Bildung von Aktionspotentialen, die dann über
das Axon wandern.
Die Kontaktstellen zwischen Endknöpfchen und nachgeschalteter
Zelle oder den Dendriten weiterer Nervenzellen werden als Synapsen
bezeichnet; der 20-30 nm breite Spalt, der sie jeweils voneinander
trennt, wird Synapsenspalt genannt.
Im elektronenoptischen Bild der Synapse zwischen zwei Nervenzellen fallen
zunächst im Endknöpfchen zahlreiche Mitochondrien und Bläschen
auf. Jedes dieser Bläschen enthält etwa 2 000 Acetylcholinmoleküle.
Die Membran des Endknöpfchens weist Verdichtungen auf. An diese Verdichtungszone
lagern sich die Synapsenbläschen an. Sobald Aktionspotentiale ankommen,
öffnen sich die Bläschen in den Synapsenspalt und geben Acetylcholin
ab. Die freigewordenen Acetylcholinmoleküle diffundieren in Mikrosekunden
über den Synapsenspalt und werden an besondere Akzeptorstellen auf
der Membran der nachgeschalteten Zelle gebunden.
Auch die Akzeptorstellen sind im Bild als Verdichtungen erkennbar. Durch
die Anlagerung der Moleküle an die Akzeptorstellen ändert sich
deren Struktur. Die Natriumkanäle öffnen sich, die Membran wird
depolarisiert.
Die ausgeschütteten Acetylcholinmoleküle sind kurzlebig.
Sofort werden sie im Synapsenspalt durch Einwirkung eines Enzyms in ihre
Bausteine zerlegt. Dabei spaltet ein einziges Molekül des Enzyms
Acetylcholinesterase in 1 ms 50 Acetylcholinmoleküle. Die Spaltprodukte
werden in die Ausgangszelle zurücktransportiert, dort durch ein anderes
Enzym wieder miteinander verbunden und in den Bläschen gespeichert.
Zusammenfassung:
An einer Synapse kann die Erregung nur in eine Richtung übertragen
werden. Synapsen haben eine Ventilwirkung.
Von der Zahl der ausgeschütteten Acetylcholinmoleküle
hängt es ab, wie viele Aktionspotentiale in der nachgeschalteten
Nervenzelle gebildet werden.
Durch die kurze Strecke und die rasche Zerlegung der ausgeschütteten
Acetylcholinmoleküle ist gewährleistet, dass die chemische
Übertragung über den Synapsenspalt auch bei hoher Aktionspotentialfrequenz
ohne Informationsverluste stattfindet.
Die rasche Synthese von Acetylcholin sorgt dafür, dass in den
Synapsenbläschen der Endknöpfchen stets genügend Acetylcholin
zur Verfügung steht.
Bilder:
Goll/Schwoerbel: Sinne, Nerven, Hormone (Cornelsen-Velhagen & Klasing)
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