METHODEN DER EMPFÄNGNISREGELUNG
Unter Empfängnisregelung versteht man die Ausübung des Rechtes,
Zahl und Abstand der Kinder nach den eigenen Lebensumständen zu planen
("Familienplanung"). Sie kann vorübergehende oder dauernde
Empfängnisverhütung (KONTRAZEPTION) beinhalten. Ihr Ziel ist
die Schaffung einer sozial und medizinisch gesunden, von verantwortungsbewusstem
Willen zum Kind bestimmten Familie.
Die Mittel, die notwendig sind, um Fruchtbarkeitskontrolle oder Geburtenregelung
zu erreichen, lassen sich in 4 Hauptgruppen einteilen:
Sexuelle Enthaltsamkeit, Kontrazeption, Sterilisation und Abtreibung (Abortion).
1. Sexuelle Enthaltsamkeit
a) Zeitwahlmethode (periodische Enthaltsamkeit, Rhythmusmethode)
beruht auf den Beobachtungen von KNAUS und OGINO über den Zeitpunkt
der Ovulation im Verlaufe des Menstruationszyklus. Nach OGINO erfolgt
die Ovulation zwischen dem 16. und 12. Tag vor Eintritt der nächsten
Regelblutung. Zur Berechnung der möglicherweise fruchtbaren Tage
wird ein Menstruationskalender ausgewertet, der mindestens (!) ein halbes
Jahr geführt werden muss.
Daraus ergibt sich: längster Zyklus minus 15 + 2 , kürzester
Zyklus minus 15 - 2. (Beispiel: Längster Zyklus: 31 Tage, daher
31 minus 15 = 16, zur Sicherheit zwei Tage dazu, ergibt somit 18. Kürzester
Zyklus: 26 Tage, daher: 26 - 15 = 11 und 11 - 2 = 9. Bei diesen Zyklusschwankungen
muss man annehmen, zwischen dem 9. und 18. Tag des Menstruationszyklus
fruchtbar zu sein.) Die Berechnung der fruchtbaren Tage ist unzuverlässig
und erfordert viel sexuelle Enthaltsamkeit.
b) Die Temperatur-Methode. Unter dem Einfluss von Progesteron
im Zyklus steigt die Körpertemperatur um 0,3 bis 0,6 Grad Celsius
an. Vom dritten Tag der erhöhten Temperatur an bis zur folgenden
Monatsblutung ist eine Frau normalerweise unfruchtbar. Gemessen wird morgens
zur selben Zeit vor dem Aufstehen nach mindestens 6 Std. Schlaf immer
mit demselben Thermometer an derselben Stelle (After, Scheide, Mund. Nie
Achsel!) fünf Minuten lang und das Ergebnis wird in ein Kurvenblatt
eingetragen.
c) Selbstuntersuchung. Unter zunehmender Östrogenwirkung
öffnet sich der Muttermund vor der Ovulation bis zu einer Weite von
durchschnittlich 4,5 mm. Durch Betasten kann man feststellen, dass der
Muttermund in der fruchtbaren Zeit weich ist in der unfruchtbaren Zeit
jedoch hart. Vor der Ovulation nimmt auch die Schleimsekretion am Muttermund
(Cervixschleim) an Menge zu. Der Schleim wird spinnbar (12 bis 22 cm)
und glasklar. Unter Progesteronwirkung schließt sich der Muttermund
wieder. Menge, Duchsichtigkeit und Spinnbarkeit des Cervixschleims nehmen
ab.
d) Der vorzeitig abgebrochene sexuelle Kontakt Coitus interruptus,
"Aufpassen"). Der Mann unterbricht kurz vor dem Höhepunkt
den sexuellen Kontakt, indem er sein Glied vor dem Samenerguss aus der
Scheide zieht. Diese Methode ist unzuverlässig und für beide
Partner psychisch belastend.
2. Kontrazeption
Es gibt zwei Methoden der Empfängnisverhütung: Hemmung der
Ovulation und Verhinderung der Befruchtung. Mechanische Einrichtungen
KONDOM (Präservativ, Gummischutz) wurde schon im 16. Jh.
eingeführt zur Verhinderung von Geschlechtskrankheiten. Es ist ein
Gummi, das über das versteifte Glied gezogen wird und den Samenerguss
auffängt. Kondome sind ziemlich zuverlässig. SCHEIDENDIAPHRAGMA
(Scheiden-Pessar) besteht aus einem dünnen gewölbten Gummi,
das von einem mit Gummi überzogenen Ring gehalten wird. Der Arzt
sucht die Größe aus und zeigt der Frau die Handhabung. Vor
dem Einführen wird sein Rand mit samenzellenabtötendem Gelee
bestrichen und auf den Muttermund aufgesetzt, wo es bis 8 Stunden nach
dem Verkehr verbleibt. PORTIO-KAPPE wird nur während der Menstruation
entfernt. INTRA-UTERIN-PESSAR (IUP, Gebärmutterpessar, "Spirale")
Unter den verschiedenen Modellen hat die Lippes-Spirale die größte
Verbreitung gefunden.
IUPs haben einen Durchmesser von 2,5 cm und bestehen aus einem
rostfreien Stahlring oder häufiger aus einer Plastikspirale, Öse
oder Schleife. Die Einlage erfolgt am letzten Tag der Periode bis zwei
Tage danach durch einen Arzt. Das biegsame IUP wird mit einem sterilen
Röhrchen in die Gebärmutter eingeführt. Nach der 1. und
2. Periode werden Kontrolluntersuchungen durchgeführt, dann regelmäßig
alle 6 Monate. Der genaue Wirkungsmechanismus ist noch nicht bekannt.
Sicher ist nur, dass sich die befruchtete Eizelle nicht in der Gebärmutterschleimhaut
einnisten kann. Die Sicherheit ist durch eine relativ hohe Zahl von Spontanausstoßungen
beeinträchtigt (0,5 - 10).
Hormonale Kontrazeption
PINCUS und ROCK (1956) waren die ersten, die in klinischen Reihenuntersuchungen
solche synthetischen oral wirksamen Gestagene mit dem Ziel der Ovulationshemmung
anwendeten. Es zeigte sich, dass ein Östrogenzusatz zweckmäßig
ist.
Wirkungsweise:
a) auf das hypothalamisch-hypophysäre System. Der Östrogenanteil
hemmt Ausschüttung von FSH. Das Gestagen unterdrückt LH-Ausschüttung - der Follikelsprung wird unterdrückt.
b) Wirkung auf den Eierstock: Ruhigstellung.
c) Wirkung auf die Uterusschleimhaut: Die Gebärmutterschleimhaut
zeigt ein starres unverändertes Bild, das nicht dem Bild der Einnistungsphase
entspricht (daher: Nidationshemmung).
d)
Wirkung auf das Gebärmuttermundsekret:
Gestagene bewirken, dass der Cervixschleim undurchdringbar für Spermien
wird.
Östrogene und Gestagene können nach zwei Anwendungsprinzipien
verabreicht werden, und zwar nach der KOMBINATIONSMETHODE und nach der
SEQUENZMETHODE. Die Kombinationspräperate enthalten ein Gemisch von
Gestagenen und Östrogenen. Pro Zyklus wird vom 5. bis zum 25. oder
26. Tag je eine Pille eingenommen. Bei der Sequenzmethode werden zunächst
nur Östrogene und erst nach der Zyklusmitte die Östrogen-Gestagen-Kombination
verabreicht. Normalerweise handelt es sich dabei um eine 14+7-Kombination,
vom 5.-18. Tag nur Östrogen, dann vom 19.-25. Tag die Östrogen-Gestagen-Mischung.
Orale Kontrazeptiva sollen nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen
werden. Alljährlich soll eine dreimonatige Unterbrechung eingehalten
werden (spätestens aber nach drei Jahren). Nach Schwangerschaften
soll die erste spontane Periode abgewartet werden.
Vor dem 16. Lebensjahr ist die Einnahme der Pille sowohl aus dem Gesichtspunkt
der psychischen als auch der physischen Unreife bedenklich.
Alleinige Verabreichung von Östrogen: Vermutlich vermögen hohe
Östrogendosen nach erfolgter Empfängnis die Einnistung des befruchteten
Eies zu stören. So spricht man hierbei von der "Pille danach"
("morning after pill" - nicht zu verwechseln mit "Mifegyne"
oder RU486, welche erst bei festgestellter Schwangerschaft verabreicht
wird). Bis höchstens 72 Stunden nach dem Verkehr werden fünf
Tage lang hochdosierte Östrogenmengen verabreicht. Danach kommt es
binnen vier Tagen zu einer verstärkten Abbruchsblutung mit Ausstoßung
der Frucht. Diese Methode sollte nur in Ausnahmefällen (z.B. Vergewaltigung)
angewendet werden.
Alleinige Verabreichung von Gestagenen: Alle 3 Monate wird eine ziemlich
hohe Menge von Gelbkörperhormon in den Gesäßmuskel gespritzt
("Dreimonatsspritze")'. Auf Grund der zahlreichen Nebenwirkungen
(Kopfschmerzen, Depressionen, Durchbruchsblutungen, Aussetzen des Zyklus,
Unregelmäßigkeiten im Zyklus) soll sie nur bei wenigen Spezialfällen
angewendet werden.
Chemische Kontrazeption:
Chemische Verhütungsmittel werden in die Scheide eingeführt.
Es gibt sie als Tabletten, Zäpfchen (Ovulum), Cremes, Gelees und
Schaum-Sprays. Sie bilden einen zähen Schleim, der den Muttermund
verschließt und enthalten außerdem Stoffe, die die Samenzellen
abtöten sollen. Bei richtiger Anwendung ist die Sicherheit recht
hoch (Herstellerfirmen geben an, dass sie fast so groß sei wie bei
der Pille).
3. Die Sterilisation
Bei der Frau werden bei eröffneter Bauchhöhle die Eileiter
durchtrennt (sicherer) oder auch nur unterbunden. Beim Mann werden die
Samenleiter jedes Hoden durchtrennt. Dieser kleine Eingriff erfolgt ambulant.
Geschlechtliches Verlangen und sexuelle Aktivität werden dadurch
nicht beeinträchtigt.
Die Sterilisation ist weitgehend irreversibel, nur in den seltensten
Fällen gelingt es, die Verbindung wieder völlig herzustellen.
4. Abortus
Der Abortus kann ein spontaner Verlust (Fehlgeburt) oder ein induzierter
Verlust oder Entfernen des Embryo oder Fetus sein (Abtreibung). Die häufigste
Ursache von Spontanaborten sind Fehler in der Chromosomenzahl; ca. 40
% der spontan abortierten Feten haben ein Chromosom zu viel. Beim dreifach
vorhandenen Chromosom 21 ist der Defekt nicht groß genug, um den
Tod des Feten zu bewirken (Mongolismus od. DOWN-Syndrom).
Abtreibungen werden gewöhnlich nicht später als bis zur 16.
Schwangerschaftswoche durchgeführt. Die Methoden sind recht unterschiedlich,
z.B. durch Salzvergiftung, Prostaglandin-Hormon-Methode, Curettage, Ansaugen
oder durch Kaiserschnitt. In vielen Ländern ist die Abtreibung ungesetzlich.
In anderen Ländern steht die Möglichkeit zur Abtreibung für
jede Frau offen. Das Entfernen des Embryo oder Fetus aus der Gebärmutter
kann seelische und körperliche Schäden der Mutter nach sich
ziehen. Unsachgemäße Eingriffe führen zu Schädigungen
des Uterusgewebes, zu Sterilität, Krankheit oder Tod durch auftretende
Infektionen.
Eine Abtreibung ist immer eine Gewaltmaßnahme. Jede Empfängnisregelung
ist besser als eine Abtreibung.
Silvia Öller
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