DAS MÄNNLICHE FORTPFLANZUNGSSYSTEM
Abb.: Mittelschnitt durch ein männliches Becken.
1 Bauchwandmuskulatur.
2 Bauchfell (Peritoneum).
3 Glatte Muskulatur der Harnblasenwand.
4 Schambeinfuge (Symphysis pubica).
5 Vorsteherdrüse (Prostata).
6 Bindegewebiger Beckenboden (Diaphragma urogenitale).
7 Schwellkörper des männlichen Gliedes (Corpus cavernosum penis).
8 Eichel (Glans penis).
9 Kahnförrnige Grube der Hamröhre (Fossa navicularis).
10 Vorhaut (Praeputium).
11 Nebenhodenkopf (Caput epididymidis).
12 Hodensack (Scrotum).
13 Hoden (Testis).
14 Nebenhodenschweif (Cauda epididymidis).
15 Schleimdrüse des bindegewebigen Beckenbodens (Glandula bulbourethralis).
16 Zwiebel (Bulbus) des Harnröhrenschwellkörpers.
17 Spritzgang (Ductus ejaculatorius).
18 Schlitz des Harnleiters.
19 Bläschendrüse (Vesicula seminalis).
20 Douglasscher Raum.
21 Fünfter Lendenwirbel.
22 Kreuzbein.
23 Mastdarm (Rectum).
24 Steißbein.
25 Letzter Abschnitt des Samenleiters.
26 Äußerer willkürlich innervierter Schließmuskel
des Mastdarms (M. sphincter ani externus).
Bild aus Faller: "Der Körper des Menschen"
Die wichtigsten Aufgaben des männlichen Fortpflanzungssystems sind
die Bildung von Samenzellen (Spermatogenese) und die Ablagerung dieser
Zellen in der Scheide der Frau beim Geschlechtsakt (Beischlaf, Coitus).
Die männlichen Geschlechtsorgane sind die HODEN (Testes), welche
die Spermien und das elementare männliche Geschlechtshormon TESTOSTERON
bilden. Die männlichen Geschlechtshormone sind unter dem Namen ANDROGENE
bekannt, wovon Testosteron das wichtigste Androgen ist, das im männlichen
Organismus gebildet wird.
Die Spermien werden innerhalb der Hoden in den Geweben der Samenkanälchen
gebildet, während Testosteron in den LEYDIGSCHEN ZWISCHENZELLEN der
Hoden gebildet wird. Diese beiden Funktionen stehen in Beziehung zueinander,
da für die Spermienbildung das Vorhandensein und die Aktivität
von ausreichenden Mengen Testosteron nötig ist.
Durch KASTRATION wird die männliche Sexualität beeinträchtigt,
weil durch das Entfernen der Hoden die Spermien- und Testosteronbildung
aufhört. Der Eunuch, der den Harem beaufsichtigte oder als Palastfunktionär
diente, war ein Mann, der vor dem Eintreten der Pubertät kastriert
wurde und dessen sekundäre Geschlechtsmerkmale niemals zur Entwicklung
kamen.
1. Anatomie der Fortpflanzungsorgane
Die Hoden differenzieren sich innerhalb der Bauchhöhle des männlichen
Embryos und steigen kurz vor der Geburt in den Hodensack (Scrotum)
ab. Der Hodensack ist ein faltiger Hautsack, der im Vergleich zum übrigen
Unterleibsbereich wenig Fetteinlagerungen hat. Bei Kindern kann es vorkommen,
dass die Hoden nicht absteigen (Cryptorchidismus, crypt=versteckt; orchid=Hoden).
Wird dieser Schaden nicht chirurgisch behoben, dann verkümmern die
Hoden kurz nachdem das Kind die Pubertät erreicht hat, und die Folge
ist eine permanente Sterilität (Unfruchtbarkeit). Jeder Hoden ist
beim erwachsenen Mann oval und im Durchschnitt 3,75 cm lang.
Spermienbildung: In den Samenkanälchen der Hoden teilen sich undifferenzierte
Keimzellen ununterbrochen. Diese dabei entstehenden neuen Keimzellen nehmen
an Größe zu und vollziehen die Reifeteilung (Meiose), wobei
vier unreife Samenzellen entstehen. 50 % dieser Zellen tragen das X-Chromosom
und die andere Hälfte das Y-Chromosom; jedes Geschlechtschromosom
tritt gemeinsam mit je 22 Autosomen auf. Die unreifen Samenzellen unterliegen
einer komplizierten Umbildung, deren Mechanismus noch zum Großteil
unbekannt ist, und entwickeln sich zu reifen Spermien (Spermatozoen, Samenzellen).
Das reife Spermium gliedert sich in eine Kopf- und Schwanzregion. Der
stark kondensierte Kern liegt im Kopf und ist teilweise von einer kappenförmigen
Struktur bedeckt. Diese Kappe, das AKROSOM, ist reich an Enzymen, die
später beim Eintritt des Spermiums in das Ei die Eimembran auflösen
und so bei der Befruchtung eine große Rolle spielen. Die Schwanzregion
schließt an den Kopf an und enthält Mitochondrien, die für
den Stoffwechsel und die Beweglichkeit der Spermien wichtig sind. Die
Möglichkeit zur Bewegung liegt in dem peitschenförmigen Schwanzteil
(Geißel oder Flagellum) der eine Wandergeschwindigkeit des Spermiums
zwischen 7 und 25 cm je Minute bewirken kann.
Es dauert 60 bis 70 Tage bis aus der undifferenzierten Keimzelle ein
reifes Spermium gebildet wird. Die Spermienbildung wird nicht unterbrochen
und gewöhnlich werden einige hundert Millionen Spermien pro Tag im
erwachsenen Mann gebildet.
Aus uns unbekannten Gründen läuft die Spermienbildung beim
Menschen nur bei einer Temperatur ab, die etwas unterhalb der Körpertemperatur
liegt (ca. 35 Grad C). Hohe Temperaturen hemmen die Spermienbildung oder
führen zur Zerstörung der Spermien. Niedere Temperaturen hemmen
die Spermienbildung auch, zerstören aber keine Zellen. Die Hoden
werden bei niederen Temperaturen an den Körper herangezogen und dehnen
sich bei höheren Temperaturen aus; dies geschieht durch Zusammenziehung
oder Erschlaffung der Muskulatur des Hodensacks.
Spermienabgabe:
Die Spermien gelangen aus den Samenkanälchen der Hoden in das Kanälchensystem
der Nebenhoden und in den großen dickwandigen Samenleiter.
Das Transportsystem des männlichen Fortpflanzungstraktes übt
einige wichtige Funktionen aus:
1.) Die Spermien können vor ihrer Ausstoßung im Nebenhoden
und Samenleiter gespeichert werden.
2.) Die Spermien reifen während ihres Aufenthaltes im Nebenhoden
und werden aus zum Teil noch unbekannten Ursachen beweglich und befruchtungsfähig.
3.) Durch starke Muskelkontraktionen der Kanalwände des Samenleiters
und des Nebenhodens werden die Spermien beim Orgasmus (Höhepunkt
des Geschlechtsaktes) ausgestoßen.
Die große Vorsteherdrüse (Prostata) liegt direkt unter
der Harnblase und umgibt die Harnröhre. In ihr werden nun einerseits
Harn, andererseits Spermien transportiert. Von der Vorsteherdrüse,
den Samenblasen und den Cowperschen Drüsen werden ständig
kleine Sekretmengen abgegeben; wesentlich größere Mengen werden
beim Geschlechtsakt produziert. Diese verdünnen das Spermakonzentrat
aus dem Samenleiter. Sekret und Spermien werden aus der Harnröhre,
die durch die Prostata, den Beckenboden, das Glied (Penis) und die Eichel
verläuft, gleichzeitig ausgestoßen. Das Sekret der Cowperschen
Drüsen reinigt kurz vor der Ausstoßung des Samens
Die Harnröhre von Harnresten und neutralisiert das saure Milieu
des Scheidenkanals während des Geschlechtsaktes, was für eine
optimale Spermienaktivität unbedingt notwendig ist.
Funktion beim Geschlechtsakt: Die Aufrichtung des männlichen Gliedes
(Erektion) ist die Vorbedingung zur Einführung in die Scheide und
damit zum Geschlechtsverkehr. Durch Reiz der Eichel oder unter psychischem
Einfluss kommt es zur Erektion. Arterielles Blut strömt in die Hohlräume
der Schwellkörper ein, die glatte Muskulatur dieser Hohlräume
erschlafft und so wird gleichzeitig der venöse Rückfluss gestaut.
Die Hohlräume füllen sich mit venösem Blut, die Schwellkörper
nehmen an Volumen zu, straffen sich, richten sich auf und werden hart.
Dieser Vorgang erfolgt relativ schnell und kann innerhalb von 5 bis 10
Sekunden vor sich gehen. Findet keine Aufrichtung des Glieds statt, dann
spricht man von Impotenz (Impotentia coeundi; im Gegensatz zur
Impotentia generandi = Zeugungsunfähigkeit). Diese Impotenz kann
die Folge von organischen oder auch psychischen Störungen sein; auch
die Einwirkung von Alkohol und Drogen auf die höheren Gehirnzentren
kann zu Impotenz führen.
Bei der Ausstoßung (Ejakulation) kontrahiert sich die glatte Muskulatur
in Nebenhoden, Samenleiter, Samenblase und Vorsteherdrüse. Die Samenflüssigkeit
wird in die Harn-Samenröhre eingepresst und gleichzeitig mit dem
Sekret der Geschlechtsdrüsen durchmischt. Durch ruckweise Kontraktion
der Beckenbodenmuskulatur wird der Samen ausgestoßen. Etwa 2 bis
6 cm3 klebrigen grauweißen Samens werden durchschnittlich
ausgestoßen, wovon in 1 cm3 normalerweise 60 bis 120
Millionen Spermien enthalten sind.
2. Hormonale Kontrolle
Alle
Erscheinungen der männlichen Fortpflanzung werden
1.) von den männlichen Geschlechtshormonen (ANDROGENE)
und
2.) von den gonadotropen Hormonen der Hypophyse beeinflusst
und kontrolliert.
Das bedeutendste Androgen ist Testosteron, welches von den Leydigschen
Zwischenzellen der Hoden gebildet wird. Die beiden wichtigsten gonadotropen
Hormone, die im Hypophysenvorderlappen gebildet werden, sind das follikelstimulierende
Hormon (FSH) und das luteinisierende Hormon (LH). Diese Hormone wurden
zuerst auf Grund ihrer Wirkungen im weiblichen Organismus benannt, aber
sowohl FSH als auch LH sind in ihrer molekularen Struktur in beiden Geschlechtern
gleich. Die gonadotropen Hormone wirken beim Mann nur auf das Hodengewebe,
während Testosteron ein breites Wirkungsspektrum zeigt: Hoden, Anhangsdrüsen,
sekundäre Geschlechtsmerkmale, sexuelles Verhalten und allgemeiner
Stoffwechsel. Testosteron beeinflusst direkt die Entwicklung von primären
und sekundären Geschlechtsmerkmalen. FSH und LH sind für die
normale Spermienbildung und die Ausschüttung von Testosteron von
entscheidender Bedeutung. FSH regt die Spermienbildung direkt an, während
LH die Sekretion von Testosteron in den Leydigschen Zwischenzellen anregt
und dadurch die Spermienbildung indirekt beeinflusst. Wenn der Hypophysenvorderlappen
entfernt wird, nehmen die Hoden an Gewicht ab und die Spermien- und Testosteronbildung
unterbleibt. Bei den Männern wird ständig FSH und LH im Vorderlappen
und Testosteron in den Hoden gebildet; es kommt zu keinen zyklischen Aktivitätsschwankungen.
Bilder: "Der Körper des Menschen" (dtv),
Bauer: "Humanbiologie" (CVK)
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