DAS WEIBLICHE FORTPFLANZUNGSSYSTEM
Abb.: Mittelschnitt durch ein weibliches Becken.
1 Aufhängeband des Eierstockes (Lig. suspensorium ovarl
2 Eierstock (Ovar).
3 Fransentrichter des Eileiters (Fimbria tubae uterinae).
4 Eileiter (Tuba uterina).
5 Rundes Führungsband der Gebärmutter (Lig. teres uteri).
6 Glatte Muskulatur (Myometdum) der Gebärmutter.
7 Vordere Aushöhlung (Excavatio vesicoutehna).
8 Douglasseher Raum (Excavatio rectouterina).
9 Bauchwandmuskulatur.
10 Harnblase.
11 Schambeinfuge (Symphysis pubica).
12 Schwellgewebe des Kitzlers (Clitoris).
13 Große Schamlippe (Labium majus).
14 Kleine Schamlippe (Labium minus).
15 Weibliche Harnröhre (Urethra).
16 Bindegewebiger Beckenboden (Diaphragma urogenitale).
17 Vorhofdrüse (Glandula vestibularis major).
18 After (Anus).
19 Mastdarm (Rectum).
20 Schleimhaut (Endometrium) der Gebärmutter.
21 Hinteres Scheidengewölbe (Fornix vaginae).
22 Äußerer Muttermund (Ostium uteri).
23 Scheide (Vagina).
24 Äußerer willkürlich versorgter Schließmuskel
des Mastdarms.
Bild aus Faller: "Der Körper des Menschen"
Im weiblichen Geschlecht ist die Keimdrüse (Gonade) als Eierstock
(Ovarium) entwickelt. Dieser hat im wesentlichen zwei Aufgaben:
Bildung der Eizellen (Ova) und Bildung der primären weiblichen
Geschlechtshormone, der Östrogene (Follikelhormone) und der Gestagene
(Gelbkörperhormone) mit denen Hauptvertretern Östradiol
bzw. Progesteron.
Sämtliche unreifen Eizellen werden bei der Frau schon während
ihrer Embryonalentwicklung gebildet; nach der Geburt findet keine Eizellenreifung
mehr statt. Die Reifung und Abgabe der Eizellen setzt in der Pubertät
im Alter zwischen 11 und 15 Jahren ein. Der Beginn der Pubertät ist
die erste Menstruation (Regelblutung), mit der gleichzeitig die Fortpflanzungsfähigkeit
der Frau beginnt. Diese Fähigkeit endet in der Menopause, wenn keine
Eier mehr gebildet und abgegeben werden, somit auch keine Regelblutung
mehr einsetzt. Die Menopause tritt in der Mehrzahl der Fälle zwischen
dem 50. und 52. Lebensjahr ein. Der "Wechsel", das Klimakterium, ist derjenige
Zeitraum im Leben der Frau, in welchem die weibliche Keimdrüse ihre
Aufgabe als "Eierstock" und endokrine Hormondrüse verliert. Den Beginn
des Klimakteriums erleben gegenwärtig die meisten Frauen im Alter
von 45 bis 48 Jahren. Die sexuelle Aktivität bleibt jedoch auch nach
der Menopause auf Grund von hormonalen und anderen Einflüssen bestehen.
Während dieser 30 bis 40 Jahre, in denen Kinder ausgetragen werden
können, werden 350 bis 450 Eier aus dem ursprünglichen Keimzellenbestand von 400.000 in beiden Eierstöcken gebildet und entlassen. Der Rest
bildet sich unter Schrumpfungserscheinungen zurück.
Abb.: Vereinfachter Schnitt durch Gebärmutter und Scheide mit
Aufsicht auf die Eierstöcke und die Eileiter. Die äußeren
Geschlechtsorgane. Künstliche Entfaltung der Schamlippen zur Darstellung
des Scheidenvorhofs.
1 Gebärmutterhöhle (Cavum uteri).
2 Innerer Muttermund (Orificium intemum).
3 Halskanal (Canalis cervicalis).
4 Äußerer Muttermund (Ostium uteri) und Scheidenteil der Gebärmutter
(Portio).
5 Kitzler (Clitoris).
6 Kleine Schamlippe (Labium minus).
7 Große Schamlippe (Labium majus).
8 Gebärmuttergrund (Fundus uteri).
9 Tubenwinkel.
10 Aufhängeband des Eierstockes (Lig. suspensorium ovarii).
11 Fransentrichter des Eileiters (Fimbria tubae uterinae).
12 Eierstock (Ovarium) 13 Erweiterung des Eileiters (Ampulla tubae uterinae).
14 Rundes Führungsband (Lig. teres uteri) der Gebärmutter (Uterus).
15 Gebärmutterschleimhaut (Endometrium).
16 Muskelwand der Gebärmutter (Myometrium).
17 Aus der inneren Beckenschlagader abgehende Gebärmutterschlagader
(A. uterina).
18 Scheide (Vagina) mit Schleimhautfalten.
19 Mündung der Harnröhre (Urethra).
20 Mündung der Scheide. 21 Jungfernhäutchen (Hymen).
22 Mündung der Vorhofdrüse (Glandula vestibularis major).
23 Damm (Perineum).
24 After (Anus).
Bild aus Faller: "Der Körper des Menschen"
1. Anatomie der weiblichen Fortpflanzungsorgane
Die paarigen EIERSTÖCKE (Ovarien) liegen in der Körperhöhle
des Unterleibes und die Eier, die von den Eierstöcken entlassen werden,
wandern in die Bauchhöhle und von dort in einen der beiden EILEITER,
die beim Menschen auch als Tuben bezeichnet werden. Die Eileiter münden
in die birnenförmige GEBÄRMUTTER (Uterus), in der sich
der Embryo bis zur Geburt entwickelt. Der Uterus geht in einen muskulösen
Hals, den GEBÄRMUTTERHALS (Muttermund, Cervix) über,
der mit einem kurzen Stück in die muskulöse SCHEIDE (Vagina)
hineinreicht.
Die Scheide führt nach außen und dient sowohl als spermienaufnehmender
Teil während des Geschlechtsverkehrs sowie als Geburtskanal. Die
äußeren weiblichen Geschlechtsteile, in ihrer Gesamtheit VULVAgenannt,
bestehen aus Fettgewebefalten, den SCHAMLIPPEN (1 Paar große
und 1 Paar kleine Schamlippen), und der KLITORIS (Kitzler), die
vorne an der Verbindungsstelle der beiden innere (kleinen) Schamlippen
liegt. Der Kitzler entwickelt sich aus denselben Embryonalstrukturen wie
das Glied des Mannes und ist ebenso wie dieses ein empfindliches erregbares
Organ. Die Öffnung der Harnröhre, die bei der Frau ausschließlich
als Harnleiter dient, liegt hinter dem Kitzler. Das Jungfernhäutchen
(Hymen) stellt eine gefäßreiche Gewebeplatte dar, die die Scheidenöffnung
teilweise verschließt. Beim ersten Geschlechtsverkehr reißt
das Jungfernhäutchen gegen den Rand an mehreren Stellen mehr oder
weniger weit ein (Defloration). Nach der ersten Geburt bleiben
nur noch kleine Wärzchen am Scheideneingang übrig.
Von der Pubertät an bis zur Menopause führt das weibliche Fortpflanzungssystem
eine Aufeinanderfolge von geschlechtlichen Zyklen durch, von denen jeder
durchschnittlich 28 Tage dauert. Die Dauer des Zyklus kann beträchtlich
variieren. Eine Regelperiode markiert den Beginn jedes Zyklus, in der
einige Zellen und Blut durch den Muttermund und die Scheide nach außen
treten, und die zwei bis acht Tage, meist etwa fünf Tage dauert.
Das biologisch wichtigste Ereignis in jedem Zyklus ist die Ovulation (Follikelsprung
und Eiabgabe), die gewöhnlich am 13. oder 14. Tag nach Beginn der
vorangegangenen Menstruation einsetzt, jedoch auch erhebliche zeitliche
Schwankungen aufweisen kann.
2. Ei- und Follikelwachstum
Der Eierstock besteht aus MARK und RINDE. Die innere Markregion
ist bindegewebig und enthält zahlreiche Gefäße. Die Rindenschicht
enthält die FOLLIKEL (Eibläschen). Der Entwicklungsprozess
vom Primärfollikel bis zum sprungreifen Follikel mit der Freisetzung
der befruchtungsfähigen Eizelle läuft in charakteristischen
Wachstumsschritten ab:
Der PRIMÄRFOLLIKEL besteht aus einem einschichtigen Ring
an Follikelzellen, die die Eizelle umgeben. Ein Teil der Primärfollikel
wächst durch Vermehrung der Follikelzellen zum Sekundärfollikel
heran.
Der SEKUNDÄRFOLLIKEL hat eine Größe von bis zu
0,2 mm erreicht. In ihm hat auch die Eizelle ihre endgültige Größe
von 100 bis 130 mm Durchmesser.
Der
TERTIÄRFOLLIKEL
stellt den reifen Bläschenfollikel dar. In ihm hat sich eine Höhle
gebildet, die von Follikelflüssigkeit erfüllt ist, die Follikelhormone
enthält. Der sprungreife Follikel, der einen Durchmesser von 15 bis
20 mm hat, nähert sich der Eierstockoberfläche. Mit Hilfe von
Enzymen in der Follikelwand reißt diese auf (Follikelsprung, OVULATION)
und die ausströmende Follikelflüssigkeit schwemmt die Eizelle
heraus. Sie wird vom Fransentrichter
(Fimbrientrichter) des Eileiters aufgefangen. Von den sich gleichzeitig
entwickelnden Follikeln im Eierstock wird in der Regel nur einer reif,
die anderen verkümmern. Es können jedoch Mehrlingsgeburten auftreten,
wenn zwei oder mehrere Eier gleichzeitig reifen und jedes von einem Spermium
befruchtet wird (zwei- oder mehreiige
Zwillinge). Wenn ein einziges befruchtetes Ei sich ein
oder mehrere Male in der Mitte auseinander schnürt, führt das
zur Entwicklung von zwei oder mehreren Embryonen (eineiige Zwillinge oder
Mehrlinge).
3. Bildung des Gelbkörpers.
Wenn die aus dem geplatzten Follikel stammende Eizelle in den Eileiter
eingetreten ist, vergrößern sich die im Eierstock verbliebenen
Follikelzellen und füllen sich mit Hormonflüssigkeiten.
Die äußeren Zellen produzieren Progesteron, die inneren Östrogene.
Bleibt die Befruchtung der Eizelle aus, so verliert dieser Menstruationsgelbkörper
(Corpus luteum menstruationis) nach etwa 10 Tagen seine Aktivität.
Die Zellen des Gelbkörpers verkleinern sich und es bleibt als Narbenprodukt
des Menstruationsgelbkörpers das weißliche Corpus albicans
zurück. Kommt es zu einer Befruchtung und Einnistung des Keims, dann
entwickelt sich der Gelbkörper unter Vermehrung der Zellen zum Schwangerschaftsgelbkörper
(Corpus luteum gravididatis), der bis zum 3. Schwangerschaftsmonat die
zur Erhaltung der Schwangerschaft (Gravidität) notwendigen Gestagene
und Östrogene produziert. Danach wird diese Aufgabe von der Plazenta
(Mutterkuchen) übernommen, und der Schwangerschaftsgelbkörper
verschwindet allmählich.
Die Follikelzellen entlassen während des Geschlechtszyklus Geschlechtshormone,
die in ihrer Gesamtheit als Östrogene (Follikelhormone) genannt
werden. Diese Hormone tragen gemeinsam mit Sekretstoffen anderer Organe
zur Vorbereitung der Uterusschleimhaut (Endometrium) für die
Aufnahme des befruchteten Eies bei. Dabei kommt es zur Umwandlung der
Gebärmutter-Auskleidung, die für eine erfolgreiche Einnistung
des befruchteten Eies notwendig ist. Während die Follikelzellen hauptsächlich
das Östrogen ÖSTRADIOL bilden, wird vom Gelbkörper
neben Östradiol auch das Gestagen PROGESTERON gebildet. Beide
Hormone bewirken, das die Gebärmutterschleimhaut im Hinblick auf
eine erfolgreiche Einnistung des Embryos während des Zyklus entsprechend
umgebildet wird.
Die Vorgänge in der Gebärmutter werden also sowohl von Östrogenen
als auch von Progesteron gesteuert, also von Hormonen, die in den Follikelzellen
und in den Zellen des Gelbkörpers gebildet werden.
Hingegen wird die Follikel- und Gelbkörperentwicklung während
des Menstruationszyklus von den gonadotropen (Gonade = Keimdrüse,
trop = hinbewegen) Hormonen aus dem Hypophysenvorderlappen (der größere
Teil der Hirnanhangsdrüse am Boden des Zwischenhirns) kontrolliert.
Das ursprüngliche Wachstum des Primärfollikels unterliegt wahrscheinlich
keiner hormonalen Kontrolle, aber die weitere Entwicklung hängt vom
Vorhandensein des wirksamen follikelstimulierenden Hormons (FSH) sowie
des luteinisierenden Hormons (LH) ab. Ein negatives Rückkoppelungssystem
wirkt dabei folgendermaßen:
Ein Signal wird an den Hypothalamus (Seitenwand des Zwischenhirns) gegeben,
der FSH-Releasing-Hormon produziert. Dieses gelangt an die hormonbildenden
Zellen im Hypophysenvorderlappen, wo nun die Bildung und Sekretion von
FSH einsetzt. Das FSH wandert aus dem Vorderlappen durch das Blut zum
Eierstock. Dort erfolgt nun unter dem Einfluss dieses gonadotropen Hormons
FSH die Entwicklung des Follikels. Dabei produziert der sich entwickelnde
Follikel Östrogene (Östradiol). Wenn der Östrogenspiegel
eine bestimmte Höhe erreicht hat, tritt Rückkoppelung ein, die
eine weitere FSH-Produktion der Hypophyse hemmt. Andererseits regen die
hohen Östrogenmengen die Bildung von LH-Releasing-Hormon im Hypothalamus
an. Das LH-Releasing-Hormon regt nun seinerseits die Produktion von LH
im Hypophysenvorderlappen an. Dieses gonadotrope Hormon LH wirkt im Eierstock
auf die Zellen des zurückgebliebenen gesprungenen Follikels und der
Gelbkörper (Corpus luteum) wird gebildet; daher stammt der Name "luteinisierendes
Hormon". Wenn Schwangerschaft eintritt, dann schalten die hohen Mengen
von Östrogenen und Progesteron im Blutstrom die weitere Bildung von
LH in der Hypophyse durch denselben Rückkoppelungsmechanismus ab.
Im Ganzen gesehen, treten die Veränderungen während des Menstruationszyklus
zuerst im Eierstock und dann in der Gebärmutter auf. Während
des Zyklus wird das Geschehen im Eierstock unter der Kontrolle des Hypothalamus
durch FSH und LH aus der Hypophyse gestaltet, während das darauffolgende
Geschehen in der Gebärmutter von den Eierstockhormonen, den Östrogenen
(Östradiol) und den Gestagenen (Progesteron) beeinflusst wird. Den
Menstruationszyklus charakterisiert das sich ändernde Gleichgewicht
zwischen den Hormonen der Hypophyse und denen des Eierstocks. Solange
der Gelbkörper vorhanden ist, wird reichlich Östradiol und Progesteron
gebildet, durch welche eine weitere FSH- und LH-Ausschüttung gehemmt
wird. Tritt keine Schwangerschaft ein, so verkümmert der Gelbkörper
und die Mengen von FSH und LH steigen wieder an, während die Konzentration
der Hormone aus dem Eierstock im Blutstrom abnimmt. Durch diese neuerliche
Konzentrationserhöhung der gonadotropen Hormone FSH und LH aus der
Hypophyse wird die Reifung eines neuen Follikels angeregt und ein neuer
Menstruationszyklus beginnt. Außerhalb der Schwangerschaft wiederholen
sich diese Ereignisse durchschnittlich alle 28 Tage zwischen Pubertät
und Menopause.
Die empfängnisverhütende "Pille" wirkt durch Hemmung
der Ovulation. Die synthetischen Östrogene und Gestagene sind in
der Pille in ausreichender Konzentration vorhanden, um die Ausschüttung
der gonadotropen Hormone FSH und LH in der Hypophyse zu unterbinden; der
Follikel reift dadurch nicht und kein Ei wird entlassen. Hormonell wird
also so eigentlich der Zustand einer Schwangerschaft vorgetäuscht
(daher gelegentlich auch Auftreten von Schwangerschaftssymptomen wie
Übelkeit, vermehrte Wasserspeicherung, Vergrößerung und
Ziehen in den Brüsten). Der Gebrauch der Pille an 21 von 28 Zyklustagen
führt zu einer Verdickung der Gebärmutterschleimhaut. Nimmt
nun eine Frau in den darauffolgenden Tagen (1 Woche) keine Pille mehr
ein, so kommt es zur Ausstoßung der Gebärmutterschleimhaut
und eine menstruale Periode wird eingeleitet, obwohl keine Ovulation stattgefunden
hat (Abbruchsblutung).
Silvia Öller
Bilder aus Faller: "Der Körper des Menschen" (dtv), Hell:
"Fortpflanzung, Entwicklung und Anpassung" (Deuticke) und Bauer:
"Humanbiologie" (CVK).
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