Im Grunde genommen ging der Streit über die Urzeugung darum, das
Leben selbst zu kennzeichnen: ob man es scharf vom Nichtleben trennen
oder einen allmählichen Übergang erlauben sollte. Das siebzehnte
und achtzehnte Jahrhundert sah auch die Entwicklung von Versuchen, die
verschiedenen Formen innerhalb des Lebens selbst zu klassifizieren, was
Anlas zu einer noch ernsthafteren Kontroverse als der über die spontane
Zeugung war. Sie sollte ihren Höhepunkt im neunzehnten Jahrhundert
erreichen.
Zunächst einmal können Lebensformen in verschiedene Arten eingeteilt
werden. Aber schon die genaue Definition dieses Wortes bereitet große
Schwierigkeiten. Grob gesprochen ist eine "Art" eine Gruppe von Lebewesen,
die sich frei untereinander paaren und Nachkommen erzeugen können,
die ihrerseits wieder die Fähigkeit haben, sich zu paaren und Junge
zur Welt zu bringen und so weiter. So gehören alle Menschen trotz
ihrer Verschiedenheit im Äußeren zu einer Art, da, soweit man
weiß, Männer und Frauen sich ungeachtet dieser Verschiedenheiten
frei fortpflanzen können. Andererseits gehören der indische
und der afrikanische Elefant trotz ihrer Ähnlichkeit im Erscheinungsbild
zu verschiedenen Arten, da ein männliches Tier der einen Art sich
mit einem weiblichen Tier der anderen nicht paaren und keine Junge hervorbringen
kann.
Aristoteles hatte fünfhundert Tierarten registriert und Theophrastus
genauso viele Pflanzenarten. In den darauffolgenden zweitausend Jahren
waren jedoch durch ständige Beobachtungen mehr Arten zutage gefördert
worden, und die Entdeckung neuer Landgebiete hatte eine wahrhafte Flut
von Berichten über neue Pflanzen- und Tierarten zur Folge, die von
keinem Naturforscher des Altertums je gesehen worden waren. Bis zum Jahre
1700 gab es Aufzeichnungen von Zehntausenden von Pflanzen- und Tierarten.
Bei der Registrierung selbst einer beschränkten Anzahl von Arten
ist man versucht, ähnliche Arten gemeinsam zu gruppieren. Fast jeder
würde z. B. sicher die zwei Elefantenarten in einer Gruppe zusammenfassen.
Das Auffinden einer von den Biologen allgemein anerkannten systematischen
Methode, nach der man Zehntausende von Arten gruppieren kann, ist keine
leichte Aufgabe. Der englische Naturforscher John Ray (1628-1705)
war der erste, der einen ernsthaften Versuch in dieser Richtung unternahm.
Zwischen 1686 und 1704 publizierte er eine dreibändige Enzyklopädie
über pflanzliches Leben, in der er 18640 Arten beschrieb. Im Jahre
1693 arbeitete er an einem Buch über tierisches Leben, das weniger
umfangreich war, in dem er aber eine logische Klassifikation der verschiedenen
Arten in Gruppen vornahm. Als kennzeichnendes Merkmal der Gruppen nahm
er größtenteils die Zehen und die Zähne.
Zum Beispiel teilte er Säugetiere in zwei große Gruppen: in
solche mit Zehen und solche mit Hufen. Die behuften Tiere teilte er weiter
in einhufige (Pferde), in zweihufige (Hornvieh) und in dreihufige (Rhinozerosse)
ein. Die zweihufigen Säugetiere wurden weiter in drei Gruppen eingeteilt:
in Wiederkäuer mit beständigem Gehörn (Ziegen etc.), in
Wiederkäuer, die ihr Gehörn jährlich abwerfen (Rotwild)
und Nichtwiederkäuer (Schweine).
Rays Klassifizierung wurde nicht beibehalten, aber die in ihr verwandte
Methode der Einteilung und Unterteilung hat der schwedische Naturforscher
Carl von Linne (1707-78)weiter entwickelt. Er ist gewöhnlich
unter seinem latinisierten Namen Carolus Linnaeus bekannt. Bis
zu seiner Zeit hatte sich die Anzahl der verschiedenen Arten lebender
Organismen auf mindestens 70000 erhöht. Im Jahre 1732 reiste Linnaeus
Tausende Meilen kreuz und quer durch Nordskandinavien und entdeckte in
kurzer Zeit Hunderte von neuen Pflanzenarten.
Noch während seines Studiums untersuchte er die Fortpflanzungsorgane
der Pflanzen, bemerkte die Formen, durch die sich diese von Art zu Art
unterschieden, und versuchte, sie auf dieser Basis zu klassifizieren.
Im Laufe der Zeit wurde dieses Vorhaben immer umfangreicher. 1735 veröffentlichte
er ein Buch mit dem Titel "Systema Naturae", in welchem er ein
Klassifikationssystem der Arten aufstellte, auf das unser heutiges zurückgeht.
Linnaeus wird daher als Begründer der Taxonomie betrachtet (das
ist die Wissenschaft von der Klassifikation der Arten von Lebewesen).
Linnaeus gruppierte systematisch ähnliche Arten in Gattungen ("genera",
Einzahl "genus", von einem griechischen Wort für Rasse). Ähnliche
Gattungen wurden in "Ordnungen" und ähnliche Ordnungen in "Klassen"
zusammengefasst. Alle bekannten Tierarten teilte er in sechs verschiedene
Klassen ein: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Fische, Insekten
und "Vermes" (Würmer). Diese Einteilung in Hauptgruppen war fehlerhaft,
die Unzulänglichkeiten wurden später aber behoben.
Jeder Art gab Linnaeus einen lateinischen Doppelnamen. Der erste Name
bezeichnet die Gattung, der zweite die besondere Art. Diese Form der
"binären Nomenklatur" ist seit dieser Zeit beibehalten worden und
hat den Biologen für die Lebensformen eine internationale Sprache
geschaffen, die ein nicht anzugebendes Ausmaß von sonst zu erwartender
Verwirrung von vornherein beseitigt hat. Linnaeus versah sogar den Menschen
mit einem offiziellen Namen, der ihm bis heute geblieben ist "Homo sapiens".
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