|
Ignaz Philipp Semmelweiß, Joseph Lister, Ilya Ilitch Mechnikow,
Robert Koch, Ferdinand Julius Cohn
Keimtheorie:
Die dazu notwendige Theorie schuf Pasteur, dessen Interesse an Mikroorganismen
von seiner Beschäftigung mit dem Gärunrungsproblem stammte.
Im Jahre 1865 musste die Seidenindustrie in Südfrankreich gewaltige
finanzielle Einbußen durch eine Krankheit hinnehmen, welche die
Seidenraupen tötete. Man rief wieder einmal Pasteur zu Hilfe. Er
gebrauchte sein Mikroskop und fand einen winzigen Parasiten, der die kranken
Seidenraupen und ihre Nahrung, die Maulbeerblätter, heimsuchte. Pasteurs
Lösung war zwar drastisch, aber doch vernünftig. Alle befallenen
Raupen und alles befallene Futter mussten vernichtet werden. Man musste
einen neuen Anfang mit gesunden Raupen und reiner Nahrung machen. Das
erwies sich als richtig, und die Seidenindustrie wurde so gerettet.
Was für eine ansteckende Krankheit galt, schien Pasteur auch
für andere zuzutreffen. Eine Krankheit konnte durch Mikroorganismen
verursacht werden. Sie konnte sich dann durch Husten, Niesen oder
Küssen, durch Abfälle, durch verunreinigte Nahrungsmittel oder
Wasser ausbreiten. In jedem Falle würden die krankheitserregenden
Mikroorganismen vom kranken auf den gesunden Menschen übergehen.
Insbesondere wäre es der Arzt, der durch seinen zwangsläufigen
Kontakt mit den Kranken die Infektion übertragen könnte.
Zu dieser letzten Schlussfolgerung war tatsächlich der ungarische
Arzt Ignaz Philipp Semmelweiß (1818 - 65) gekommen. Ohne von der
Pasteurschen Theorie Kenntnis zu haben, bemerkte er trotzdem, dass die
Sterblichkeitsrate der Frauen an Kindbettfieber in den Wiener Krankenhäusern
erschreckend hoch war, während von den Frauen, die mit Hilfe einer
Hebamme ohne besondere Vorbildung zu Hause entbanden, nur ein geringer
Teil starb. Semmelweiß schien es klar zu sein, dass die Ärzte
auf dem Wege vom Sektions- zum Operationsraum irgendwie die Krankheit
mitschleppen mussten. Er bestand darauf, dass die Ärzte, bevor sie
als Geburtshelfer tätig wurden, sich ihre Hände gründlich
wuschen. Immer, wenn er das durchsetzen konnte, sanken die Sterblichkeitsziffern.
Die verärgerten Ärzte vertrieben ihn jedoch aus dem Krankenhaus,
und die Sterblichkeitsrate stieg wieder. Semmelweiß starb als geschlagener
Mann, zu früh; um seinen Sieg zu erleben. (Etwa zur gleichen Zeit
führte der amerikanische. Arzt und Dichter Oliver Wendell Holmes
(1809-94) in Amerika einen ähnlichen Kampf gegen die unsauberen Hände
von Geburtshelfern und handelte sich dafür erhebliche persönliche
Beschimpfungen ein.)
Erst nachdem Pasteur seine "Keimtheorie" aufgestellt hatte, änderten
sich die Verhältnisse langsam. Es gab jetzt einen Grund, Sauberkeit
walten zu lassen, und so sehr sich auch konservative Ärzte gegen
diese Neuerung wandten, langsam wurden sie gezwungen sich zu fügen.
Während des französisch-preußischen Krieges gelang es
Pasteur durchzusetzen, dass die Ärzte ihre Instrumente vor der Benutzung
bei verwundeten Soldaten auskochen und ihre Binden mit Dampf behandeln
mussten.
In der Zwischenzeit verwandte in England der Chirurg Joseph Lister
(1827-1912) seine ganze Kraft darauf, die Chirurgie zu reformieren.
Zum Beispiel führte er die "Anästhesie" ein. Bei diesem Vorgang
atmete ein Patient ein Gemisch von Äther und Luft ein, fiel dadurch
in Schlaf und wurde gegen Schmerzen unempfindlich. So konnten schmerzlos
Zähne gezogen und Operationen durchgeführt werden. Verschiedene
Männer hatten zu dieser Entdeckung beigetragen. Den Hauptanteil schreibt
man jedoch gewöhnlich dem amerikanischen Zahnarzt William Thomas
Green Morton zu (1819 - 68). Unter Verwendung eines Ätherrausches
gelang es ihm im Jahre 1846 im Massachusett General Hospital einen Patienten
von einem Gesichtstumor zu befreien. Diese erfolgreiche Anwendung der
"Anästhesie" wurde sehr schnell zu einem festen Bestandteil chirurgischer
Praxis. Lister musste jedoch bekümmert feststellen, dass ein Patient
auch noch nach einer schmerzlosen und erfolgreichen Operation an einer
nachfolgenden Infektion sterben konnte. Als er die Pasteursche Theorie
kennerlernte, kam ihm der Gedanke, dass keine Infektion eintreten würde,
wenn man die Wunde oder den chirurgischen Einschnitt sterilisierte. Er
benutzte als erster Karbolsäure (Phenol) und hatte damit Erfolg.
Lister hatte dadurch die "antiseptische Chirurgie" eingeführt.
Allmählich fand man wirkungsvollere Chemikalien für diesen
Zweck, die weniger starke Reizungen hervorriefen. Die Chirurgen gingen
dazu über, Gummihandschuhe und Gesichtsmasken zu tragen. Von nun
an barg die Chirurgie für die Menschheit keine Gefahr mehr. Wenn
Pasteurs Keimtheorie nur dies allein vollbracht hätte, würde
das schon ausreichen, um sie zur bedeutendsten Einzelentdeckung in der
Geschichte der Medizin zu machen. Diese Theorie leistete jedoch noch viel
mehr.
Bakterien:
Man konnte nicht erwarten, alle todbringenden Mikroorganismen ein für
allemal von allen Menschen fernzuhalten. Früher oder später
waren sie Krankheiten ausgesetzt. Was sollte dann geschehen?
Ganz gewiss war der Körper imstande, gegen die Mikroorganismen anzukämpfen,
denn er konnte auch ohne Hilfe von Infektionskrankheiten genesen. Im Jahre
1884 sollte der russisch-französische Biologe Ilya Ilitch Mechnikow
(1845 - 1916) ein Beispiel für eine solche "antibakterielle Kriegführung"
finden. Er konnte zeigen, dass die weißen Blutkörperchen, die
mit der Fähigkeit ausgestattet sind, die Blutgefäße im
Bedarfsfall zu verlassen, sich an der Stelle - von Infektionen oder eines
Bakterieneinfalls zusammenzogen. Was dann folgte, war einer regelrechten
Schlacht zwischen Bakterien und weißen Blutkörperchen sehr
ähnlich, bei der die letzteren nicht notwendigerweise immer gewannen,
aber oft genug, um sehr viel Gutes zu tun.
Es musste jedoch noch viel feinere antibakterielle Waffen geben. Denn
bei vielen Krankheiten bedeutete die Genesung von einem Anfall anschließende
Immunität, obgleich keine sichtbaren Veränderungen im Körper
gefunden werden konnten. Dafür gab es eine Erklärung, nämlich
die, dass der Körper ein gewisses Molekül (einen "Antikörper")
entwickelt hatte, das zur Abtötung eines eindringenden Mikroorganismus
oder zur Neutralisierung seiner Wirkung benutzt werden konnte. Das würde
die Wirkung der Impfung erklären. Der Körper könnte einen
Antikörper gegen den Kuhpockenmikroorganismus entwickelt und diesen
zur Bekämpfung der sehr ähnlichen Pockenmikroorganismen brauchbar
gefunden haben.
Jetzt endlich konnte der Erfolg durch Maßnahmen wiederholt werden,
die nicht direkt auf die Überwindung der Krankheit, sondern auf die
Bekämpfung der sie verursachenden Mikroorganismen abzielten. Pasteur
zeigte dies in Verbindung mit dem Milzbrand, einer tödlichen Krankheit,
die Herden von Haustieren verwüstete. Pasteur suchte nach einem Mikroorganismus,
der die Krankheit verursachen würde, und fand diesen in einer bestimmten
Bakterie. Er erhitzte ein Präparat solcher Bakterien so lange, bis
sie nicht mehr fähig waren, die Krankheit zu verursachen. Diese hilflosen
"abgeschwächten Bakterien" zwangen den Körper durch ihre bloße
Existenz, Antikörper zu entwickeln, die auch gegen die frischen,
todbringenden Bakterien benutzt werden konnten.
Im Jahre 1881 führte Pasteur ein höchst dramatisches Experiment
durch. Einige Schafe aus einer Herde wurden mit diesen in ihrer Wirkung
gedämpften Bakterien geimpft, während der Rest ungeimpft blieb.
Nach einiger Zeit wurden alle Schafe den tödlichen Milzbrandbakterien
ausgesetzt. Die geimpften Schafe überlebten schadlos die Krankheit,
während die anderen befallen wurden und starben.
Ähnliche Methoden wurden von Pasteur zur Bekämpfung der Hühnercholera
und am dramatischsten gegen die Tollwut entwickelt, die Krankheit, die
durch den Biss eines tollwütigen Hundes verursacht wird. Im Grunde
genommen erzeugte er gewissermaßen künstliche Kuhpocken, um
Menschen und Tiere gegen eine Vielzahl verschiedenartiger Pocken zu schützen.
Der Erfolg von Pasteurs Keimtheorie erzeugte ein neues starkes Interesse
an den Bakterien. Der deutsche Botaniker Ferdinand Julius Cohn (1828
- 98) hatte sich in seiner Jugend besonders mit der mikroskopischen
Untersuchung von Pflanzenzellen beschäftigt. Er zeigte zum Beispiel,
dass pflanzliches Protoplasma im wesentlichen identisch mit tierischem
Protoplasma ist. In den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts
wandte er sich jedoch den Bakterien zu und veröffentlichte 1872
eine dreibändige Abhandlung über diese kleinen Lebewesen, in
welcher der erste systematische Versuch gemacht wurde, sie in Gattungen
und Arten zu klassifizieren. Aus diesem Grunde kann man Cohn als Begründer
der modernen Bakteriologie betrachten.
Cohns bedeutendste Entdeckung war jedoch die des jungen deutschen Arztes
Robert Koch (1843 - 1910). 1876. hatte Koch den Milzbrandbazillus
isolieren können und gelernt, ihn zu züchten (wie das auch Pasteur
in Frankreich machte). Koch machte Cohn Mitteilung von seiner Arbeit,
und der enthusiastische Cohn förderte ihn daraufhin nach Kräften.
Koch lernte, Bakterien auf einem festen Nährboden wie z. B. Gelatine
(hierfür nahm man später Agar-Agar, der aus Seetang hergestellt
wird) anstatt in Flüssigkeiten zu züchten. Das war ein wesentlicher
Unterschied. In einer Flüssigkeit vermengen sich leicht die Bakterien
der verschiedensten Arten, und es ist später schwierig festzustellen,
welche Art eine bestimmte Krankheit verursacht hat.
Beim Aufstreichen einer Bakterienkultur auf ein festes Medium würde
sich eine isolierte Bakterie fortlaufend teilen und auf diese Weise viele
neue Zellen bilden, die sich nicht von der Stelle bewegen könnten.
Obgleich die ursprüngliche Kultur aus vielen verschiedenen Arten
von Bakterien zusammengesetzt sein könnte, müsste die sich an
einer bestimmten Stelle, bildende Kolonie eine reine Art darstellen. Wenn
sie eine Krankheit erzeugte, bestünde kein Zweifel darüber,
welche Art dafür verantwortlich zu machen wäre.
Ursprünglich benutzte Koch als Träger seines Nährbodens
eine flache Glasscheibe. Einer seiner Assistenten, Julius Richard Petri
(1852 - 1921), nahm statt dessen eine flache Schale, die durch eine
Glasscheibe abgedeckt wurde. Solche "Petrischalen" werden seither in der
Bakteriologie benutzt.
Indem Koch mit reinen Kulturen arbeitete, konnte er Regeln für die
Entdeckung von Mikroorganismen aufstellen, die eine bestimmte Krankheit
verursachen. Mit seinen Assistenten entdeckte er viele solche; seine größte
Leistung war jedoch die Entdeckung des Tuberkelbazillus im Jahre 1882.
|