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Ich lache eigentlich selten über ein Tier; und wenn ich lache, so
stellt sich bei näherem Zusehen meist heraus, dass ich über
mich selbst, über den Menschen gelacht habe, den mir das Tier in
einer mehr oder weniger mitleidlosen Karikatur vorgeführt hat. Wir
lachen vor dem Affenkäfig und nicht bei der Betrachtung einer Raupe
oder Schnecke, und wenn die Balz eines kraftprahlenden Graugänserichs
so unglaublich komisch wirkt, so deshalb, weil menschliche Jünglinge
sich sehr ähnlich verhalten.
Über das Bizarre an Tieren lacht der Verständige im allgemeinen
nicht. Es ärgert mich oft, wenn im zoologischen Garten oder im Aquarium
die Besucher über ein Tier lachen, das in extremer Anpassung an eine
besondere Lebensweise seine Körper umentwickelt hat, die vom Herkömmlichen
abweicht. Der "Publikus" lacht dann nämlich über etwas,
das mir heilig ist: An die Rätsel des Artenwandels, der Schöpfung
und des Schöpfers. Die groteske Gestalt eines Chamäleons, eines
Kugelfisches oder eines Ameisenbären erweckt in mir ehrfürchtiges
Staunen, nicht Heiterkeit.
Freilich, über unerwartete Bizarrerien habe auch ich schon gelacht,
obwohl dieses Lachen ja an sich nicht weniger dumm ist als das des Publikums,
das mich ärgert. Als ich aus Holland den Land- und Kletterfisch Periophtalmusgeschickt
bekam und zum ersten Male sah, wie eines dieser Tiere aus dem Wasserbecken
nicht hinaus, sondern nur auf den Rand sprang, dort "im Stütz"
sitzen blieb, den Kopf zu mir emporwandte und mit seinem Mopsgesicht,
den vorquellenden scharfsichtigen Augen mich fixierte, da habe ich gelacht.
Kann man sich vorstellen, wie es wirkt, wenn ein Fisch, ein richtiger
unzweideutiger Knochenfisch, erstens auf einem "Sprießel"
sitzt wie ein Kanari, zweitens den Kopf nach einem wendet wie ein höheres
Landtier, wie irgend etwas, nur nicht wie ein Fisch, und wenn er dabei
drittens beidäugig fixiert, was schon an der Eule komisch wirkt,
weil nicht einmal Vögel ihre Augen in so menschenähnlicher Weise
zu gebrauchen pflegen? Aber auch hier liegt die Komik nicht nur im unerwartet
Bizarren, sondern zu gutem Teil in der verblüffenden Menschenähnlichkeit
des Verhaltens.
Doch in den allermeisten Fällen, in denen ich über Tiere lachte,
habe ich doch eigentlich über den Menschen gelacht, über mich,
über den Zuschauer. Der Verhaltensforscher macht im Verkehr mit höheren
Tieren oft eine ungemein komische Figur. Das ist unvermeidlich. Ebenso
unvermeidlich ist es, dass er von seiner näheren und weiteren Umgebung
für verrückt gehalten wird. Dass ich noch nie in die psychiatrische
Klinik eingeliefert wurde, ist nur dem Umstand zu danken, dass ich in
Altenberg den Ruf verlässlicher Harmlosigkeit genieße, den
ich mit den anderen Dorfdeppen teile. Zur Rechtfertigung der Altenberger
will ich ein paar kleine Geschichten erzählen.
Ich experimentierte einst mit jungen Stockenten, um herauszufinden, warum
frisch geschlüpfte, künstlich erbrütete kleine Wildenten
im Gegensatz zu ebensolchen Graugänsen unzugänglich und scheu
sind. Wildgansjunge betrachten ohne weiteres den Menschen, dem sie als
erstem Lebewesen begegnen, als ihre Mama und laufen ihm getreulich nach.
Stockentlein dagegen wollten von mir nichts wissen. Ganz frisch dem Brutapparat
entnommen, ohne jede vorangegangene Erfahrung, hatten sie Angst vor mir,
liefen davon und drückten sich in den nächsten finsteren Winkel.
Woran lag dieser Unterschied? Mir fiel ein, dass ich einmal eine Türkenente
ein Gelege Stockenteneier hatte ausbrüten lassen und dass die kleinen
Stockenten auch diese Amme nicht als Mama-Ersatz angenommen hatten. Sie
waren ihr, sowie sie trocken geworden waren, einfach davongelaufen, und
ich hatte Mühe genug gehabt, die weinend umherirrenden Kindchen einzufangen
und zu retten. Anderseits aber hatte ich Stockenteneier um von einer dicken
weißen Hausente ausbrüten lassen, und dieser Pflegemutter waren
die kleinen Wildlinge genauso brav nachgelaufen, als sei sie ihre wirkliche
Mutter. Es muss an dem Lockton der führenden Ente liegen, denn im
Äußeren war die Hausente von einer Stockentenmutter stärker
verschieden als die Türkenente. Was sie aber mit der Stockente gemein
mein hatte, die ja die wilde Stammform unserer Hausente ist, waren ihre
stimmlichen Äußerungen, die sich im Laufe des Domestikationsvorganges
so gut wie nicht verändert haben. Daraus war zu folgern: Ich müsse
wie eine Stockente quaken, damit mir die Jungen nachlaufen. "Er hängt
die Glocke um, schreit Muh', da glaubt das Kalb, er sei die Kuh."
Wilhelm Busch passt doch auf jede Lebenslage.
Gedacht, getan! Als gerade am Pfingstsamstag eine Brut reinblütiger
junger Wildenten schlüpfen sollte, tat ich die Eier in den Brutapparat,
nahm dann die Kinder, nachdem sie trocken geworden waren, in meine Obhut
und quakte ihnen im besten Stockentisch die Führungslaute vor. Stundenlang,
einen halben Tag lang. Das Quaken hatte Erfolg. Die kleinen Enten sahen
vertrauensvoll zu mir empor, fürchteten sich diesmal offensichtlich
vor mir nicht, und als ich mich, immer noch quakend, langsam von ihnen
fortbewegte, setzten auch sie sich gehorsam in Bewegung und kamen, ein
dicht gedrängtes Häuflein, so wie kleine Entchen ihrer Mutter
folgen, hinter mir her. Meine Theorie war zwingend bewiesen: Die frisch
geschlüpften Entchen haben eine angeborene Reaktion auf den Lockton,
jedoch keine auf das optische Bild der Mutter. Alles, was den richtigen
Quakton von sich gibt, wird als Mama betrachtet, ob es nun eine dicke,
weiße Pekingente oder ein noch viel dickerer Mensch ist. Nur allzu
groß durfte das Ersatzobjekt nicht sein! Ich hatte mich zu Beginn
dieser Versuche zu den Entenkindern ins Gras gesetzt und war, um ihre
Nachfolgereaktion auszulösen, sitzend von ihnen weggerückt.
Sobald ich aber aufstand und versuchte, aufrecht vor mir her zu gehen,
versagten sie, blickten, offenbar suchend, nach allen Seiten, nicht aber
zu wir empor, und begannen alsbald ihr durchdringendes Pfeifen des Verlassenseins,
das wir meist einfach als "Weinen" zu bezeichnen pflegen. Darauf,
dass ihre Ersatz-Mama so hoch sei, konnten sie sich nicht umstellen. Ich
war also gezwungen, mich in tiefer Hocke zu bewegen, sollten sie mir nachfolgen.
Das war wenig bequem; noch weniger bequem aber war der Umstand, dass eine
richtige Entenmutter ununterbrochen quakt. Hörte ich nur eine halbe
Minute mit meinem melodischen "Quähggegegeg" auf, bekamen
die Entenkinder immer längere und längere Hälschen, was
genau einem länger werdenden Gesicht eines Menschenkindes entspricht,
und wenn ich dann nicht sofort quakte, brach das scharfe Weinen aus. Sowie
ich schwieg, glaubten sie gewissermaßen, ich sei gestorben, oder
ich liebte sie nicht mehr; Grund genug zu weinen. Die Stockentchen waren
also im Gegensatz zu den Grauganskindern sehr anspruchsvolle und anstrengende
Pfleglinge; denn man stelle sich vor: Zwei Stunden Spaziergang mit solchen
Kindern, dauernd in tiefer Hocke und ununterbrochen quaken ...
Im Interesse der Wissenschaft habe ich mich dieser Mühe tatsächlich
stundenlang unterzogen. Ich wanderte also an jenem Pfingstsonntag mit
meinen eintägigen Stockenten in tiefer Hocke und quakend auf einer
maigrünen Wiese im oberen Teil unseres Gartens dahin und erfreute
mich an dem Gehorsam und an der Genauigkeit, mit der meine Entleinschar
hinter mir hergewackelt kam. Aber als ich einmal aufblickte, sah ich den
Rand des Gartenzauns eingefasst mit einer Reihe bleicher Gesichter. Eine
Ausflugsgesellschaft stand am Zaun und starrte entsetzt auf mich. Verzeihlich!
Denn die Leute sahen da einen dicken Herrn mit Schnurbart in tiefer Hocke
und Achtertouren auf der Wiese herumrutschen, sich dauernd über die
Schulter schauen und ohne Unterbrechung quaken - die Entlein aber, die
erlösenden und alles erklärenden Entlein, konnten jene erschreckten
Zaungäste in dem hohen Maiengrase leider nicht sehen!
Ich habe schon erzählt, dass die Dohlen sich sehr lang merken, welches
Wesen ihre Schnarr-Reaktion ausgelöst, wer also eine Dohle ergriffen
hat. Darin lag ein erhebliches Hindernis für die Beringung der in
meiner Kolonie erbrüteten Jungdohlen. Wenn ich sie aus den Nestern
nahm, um sie mit Rossittener Aluminiumringen zu kennzeichnen, war es nämlich
nicht zu vermeiden, dass mich die alten Dohlen sahen und ein wüstes
Schnarrkonzert anstimmten. Wie es aber anstellen, dass die Vögel
durch die Maßnahme des Beringens mich nicht für immer scheuen,
was meine Arbeiten unermesslich behindert hätte? Die Lösung
war einfach: Verkleidung. Aber welche? Wieder sehr einfach, sie lag ja
in einem Kasten im Bodenraum griffbereit und war für meine Zwecke
sehr brauchbar, obwohl sie normalerweise nur am 6. Dezember hervorgeholt
wurde: ein herrlicher, dickpelziger Krampusanzug mit einer Maske, die
den ganzen Kopf überzog, mit Hörnern und Zunge und einem gewaltigen,
bequasteten, weit abstehenden Teufelsschwanz.
Was würdest du denken, wenn du an einem schönen Junitag plötzlich
von einem hochgiebeligen Hausdach herab ein wildes Schnarren hörst
und, hinaufblickend, das nordische Phantom mit Hörnern, Schweif und
Klauen, mit offenbar vor - Hitze weit heraushängender Zunge von Rauchfang
zu Rauchfang klettern siehst, umschwärmt von betäubend schnarrenden
schwarzen Vögeln? Ich glaube, in diesem Falle ließe der Gesamteindruck
übersehen, dass der Teufel mit einer Flachzange Rossittener-Ringe
an den Beinen junger Dohlen befestigt und die Tiere dann wieder sorgfältig
in die Nester setzt. Erst als ich mit dem Beringen fertig war, sah ich,
dass sich in der Dorfstraße dichtgedrängte Menschenmenge angesammelt
hatte, die mindestens ebenso entgeistert heraufstarrte, wie jene Pfingstausflügler
über den Gartenzaun. Da der ganze Zweck der Übung verfehlt gewesen
wäre, hätte ich mich zu erkennen gegeben, wedelte ich nur freundlich
mit meinem Teufelsschwanz und verschwand in der Bodenluke.
Das dritte Mal, dass ich Gefahr lief, in die Psychiatrische Klinik eingeliefert
zu werden, trug mein großer Gelbhaubenkakadu Koka die Schuld. Ich
hatte kurz vor Ostern diesen schönen und sehr zahmen Vogel um eine
recht beachtliche Summe gekauft. Es hatte viele Wochen gedauert, bis der
arme Kerl die seelischen Schädigungen seiner Gefangenschaft überwunden
hatte. Anfänglich konnte er nicht begreifen, dass er nicht mehr angehängt
sei und sich frei bewegen dürfe. Es war ein mitleiderregender Anblick,
wie der stolze Vogel, auf einem Baumast sitzend, immer wieder zum Fluge
ansetzte, aber nicht abzufliegen wagte, weil er "nicht glauben konnte",
dass er nicht mehr an der Kette hänge! Als er diese Hemmungen endlich
überwunden hatte, wurde er sehr lebendiges und übermütiges
Wesen und entwickelte eine rührende, hundeähnliche Anhänglichkeit
an meine Person.
Sowie man ihn aus dem Raum freiließ, in den er damals noch nachtsüber
eingeschlossen wurde, flog er mich suchen und bekundete dabei eine höchst
erstaunliche Intelligenz. Schon nach sehr kurzer Zeit hatte er erfasst,
an welchen Orten ich mich wahrscheinlich aufhielt: Zuerst flog er zu meinem
Schlafzimmerfenster, fand er mich dort nicht, hinunter an den Ententeich;
kurz, er durchlief meine ganze "Morgenvisite" bei den verschiedenen
Tierbehältern unserer Station. Diese hartnäckige Suche war nicht
ungefährlich, und er hatte sich bei dieser Gelegenheit auch schon
mehrmals verflogen. Daher hatten meine Mitarbeiter strengen Auftrag, während
meiner Abwesenheit den Kakadu nicht ins Freie zu lassen.
An einem strahlenden Samstag im Juni stieg ich, aus Wien kommend, am
Altenberger Bahnhof aus, inmitten einer Schar Wochenend-Badegäste,
wie sie an schönen Feiertagen mein Heimatdorf zu besuchen pflegen.
Ich war erst wenige Schritte die Dorfstraße entlanggegangen, die
Menschenschar hatte sich noch nicht verlaufen, da sah ich hoch, hoch in
der Luft einen Vogel, den ich nicht sofort anzusprechen vermochte. Er
flog mit gleichmäßigen, langsamen Flügelschlägen,
die er in regelmäßigen Abständen durch längeren Gleitflug
unterbrach. Ein Bussard? Der Vogel kam mir mehr flächenbelastet und
überhaupt schwerer vor. Ein Storch? Dafür war er nicht groß
genug, auch hätte man trotz der Höhe Hals und Beine sehen müssen.
Da machte der Vogel eine Schwenkung, so dass die Strahlen der bereits
tief stehenden Sonne einen Augenblick lang voll auf de Unterseite der
großen Schwingen fielen, die im Blau des Himmels gleich Sternchen
aufleuchteten. Der Vogel war weiß - bei Gott, es war mein Kakadu,
der da oben, sichtlich in der Absicht, eine große Strecke zu durchfliegen,
in gleichmäßigem Wanderfluge dahinruderte.
Was tun? Den Vogel locken! Hast du schon einmal den Fluglockruf des großen
Gelbhaubenkakadus gehört? Nein? Aber Schweineschlachten alter Manier
sicher. Man stelle sich also Schweinegeschrei von größter Lautstärke
vor, mit einem guten Mikrophon aufgenommen und einem Lautsprecher vierfach
verstärkt. Der Mensch kann recht gut, wenn auch schwächlich,
es nachahmen, wenn er einfach so laut wie möglich "Oäh,
oäh" brüllt. Es war schon erprobt worden, dass der Kakadu
diese Nachahmung verstand und prompt herbeikam. Ob aber auch aus so großer
Höhe? Der Entschluss, abwärts zu fliegen, fällt allen Vögeln
schwerer als der, geradeaus oder aufwärts zu fliegen. Soll ich brüllen
oder soll ich nicht? Brülle ich, und der Vogel kommt, ist ja alles
gut. Wie aber, wenn das Vieh da oben ruhig weitersegelt? Wie der Menschenmenge
meinen Gesang erklären?
Schließlich habe ich gebrüllt. Die Menschen um mich her standen
wie vom Schlage gerührt. Der Kakadu klafterte einen Augenblick reglos,
dann falteten sich die weißen Flügel, und der Vogel kam im
Sturzflug herab und landete auf meinem hingehaltenen Arm. Noch einmal
gut gegangen.
Einmal hat mir ein Streich desselben Kakadus einen ernstlichen Schrecken
eingejagt. Mein Vater, damals schon ein sehr alter Herr, pflegte an der
Südwestseite unseres Hauses, am Fuße der Terrasse, auf einem
Liegestuhl Siesta zu halten. Es war mir aus ärztlichen Erwägungen
nicht ganz recht; ihn der prallen Mittagssonne ausgesetzt zu wissen, doch
ließ er sich von seiner alten Gewohnheit nicht abbringen. Eines
Tages hörte ich nun zur Siestazeit meinen Vater an jenem Platze gotteslästerlich
fluchen, und als ich um die Ecke des Hauses lief, sah ich den alten Herrn
in verkrampfter Haltung die Auffahrt heraufwanken, tief vorgebeugt und
die Arme um den Leib geschlungen.
"Um Gottes willen, ist dir schlecht geworden?"
"Nein", kam erbittert die Antwort, "schlecht ist mir nicht,
aber das verfluchte Vieh hat mir sämtliche Knöpfe von der Hose
abgebissen, während ich geschlafen habe!"
Und so war es. Der Lokalaugenschein auf dem Tatort zeigte in Knöpfen
ausgelegt, die ganze Figur des Herrn Hofrat: da die Arme, hier die Weste,
dort unzweifelhaft das Tor der Hose. Das Gesamtbild erinnerte etwas an
den schauerlichen Schluss von Max und Moritz: "Hier kann man sie
noch erblicken, fein geschroten und in Stücken."
Eines der schönsten Kakaduspiele, das an schöpferischer Erfindungsgabe
und Sachbezogenheit geradezu an Affen und Menschenkinder erinnert, entstand
aus der heißen Liebe des Vogels zu meiner Mutter, die, solange sie
sich im sommerlichen Garten aufhielt, ununterbrochen strickte. Der Kakadu
schien völlige Einsicht in die Mechanik des Knäuels und in die
Verwendbarkeit der Wolle zu besitzen. Immer fasste er das freie Ende des
Wollfadens mit dem Schnabel und flog dann kraftvoll in den Luftraum hinaus,
hinter sich den Knäuel entrollend. Wie ein Papierdrache mit langem
Schwanz stieg der Vogel hoch und flog dann regelmäßig in Kreisen
um eine große Linde, die damals vor unserem Hause stand. Einmal,
als er bei diesem Geschäft nicht gestört wurde, umspann er den
Baum bis zum Wipfel hinauf mit bunten Wollfäden, die aus der sperrigen,
weit ausladenden Krone einfach nicht wieder herunterzukriegen waren. Besucher
standen dann staunend vor dieser Linde und verstanden weder, wozu sie
so geschmückt war, noch, wie wir das angestellt hatten.
Der Kakadu machte meiner Mutter in der entzückendsten Weise den
Hof, umbalzte sie in grotesken Tänzen und folgte ihr überallhin.
War sie nicht da, suchte er sie ebenso angestrengt, wie er in seiner Jugendzeit
mich gesucht hatte. Nun hatte meine Mutter nicht weniger als vier Schwestern.
Einmal waren diese Tanten nebst einigen ebenso ältlichen Freundinnen
zu einer feierlichen Jause in der Veranda unseres Hauses versammelt. Sie
saßen um den riesigen runden Tisch. Vor jeder stand ein Teller mit
selbstgezüchteten herrlichen Ananaserdbeeren, und in der Mitte stand
eine sehr flache, große, glasierte Keramikschale mit feinstem Puderzucker.
Der Kakadu erspähte von draußen meine an diesem Tische präsidierende
Mutter, als er zufällig oder absichtlich vorbeigeflogen kam. Im nächsten
Augenblick kam er in steilem Sturzflug gewandt durch die breite Tür
geschwenkt, die immer noch schmaler als die Spannweite seiner Schwingen
war, in der Absicht, vor meiner Mutter, mitten auf den Tisch, zu landen,
dort, wo er auch sonst zu sitzen und ihr Gesellschaft zu leisten pflegte,
wenn sie strickte. Nun fand er aber die Landungsfläche verstellt
mit vielerlei flugtechnisch hinderlichem Gerät, dazu im Kreis lauter
unbekannte Gesichten Er überlegte sich also die Sache, fing sich
in der Luft über dem Tisch rüttelnd ab, kehrte als Hubschrauber
am Platze um, gab erneut Vollgas und war im nächsten Augenblick wieder
bei der Tür hinaus und spurlos verschwunden. Ebenso der Puderzucker
aus der flachen Keramikschale, aus der ihn der Propellerwind herausgeweht
hatte. Und um den Tisch herum saßen sieben schneeweiß gepuderte
Tanten, sieben Rokokodamen, die aber ganz weiß waren, also auch
im Gesicht, und krampfhaft die Augen geschlossen hatten!
Schööön!
Konrad Lorenz (aus: "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und
den Fischen")
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