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Eine
Information der Forschungsstelle für Ethologie in Grünau im
Almtal (Österreich)
Kurt Kotrschal zum Buch von B. Föger und K. Taschwer: "Die
andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus."
(Czernin Verlag).
Grünau, 11. Okt. 2001
Aus der Sicht der modernen Verhaltensbiologie sind die pseudowissenschaftlichen
Überzeugungen von Konrad Lorenz von seinem bleibenden wissenschaftlichen
Werk zu unterscheiden. Wir distanzieren uns scharf von den Bemühungen
des Begründers der Ethologie, sich dem Nazi-Regime als Ideologe der
Euthanasie anzudienern, wehren uns allerdings gegen die absurde Behauptung,
die Ethologie hätte damit ihre Wurzeln in der nationalsozialistischen
Ideologie. Denn die eigentlichen wissenschaftlichen Meriten von Konrad
Lorenz liegen anderswo und die meisten Gründerväter der Ethologie,
wie Karl von Frisch, Niko Tinbergen, etc. waren erklärte Gegner der
Nazi-Ideologie.
Das Buch von Benedikt Föger und Klaus Taschwer leistet einen wichtigen
Beitrag zur Aufarbeitung des österreichischen Nationalsozialismus.
Konrad Lorenz war zumindest anfangs begeistertes und überzeugtes
Mitglied der NSDAP. Dies ist insofern bedeutend, als die Biologie zu den
wichtigsten (pseudo)wissenschaftlichen Stützen der Nazi-Ideologie
zählte. Föger und Taschwer zeichnen ein schlüssiges Szenario,
wie es dazu kam, dass sich der Humanist und Moralist Lorenz so verirren
konnte.
Sein geringer Stellenwert bei den Machthabern und die zeitliche Plazierung
seiner Schriften lassen ihn aber dennoch eher als Mitläufer, denn
als "Vordenker des NS-Regimes" (O. Lehmann im Universum Magazin
vom Okt. 2001) erscheinen. Der Anschluss brach die geistige Enge des Ständestaates
auf und Lorenz fand in den Nazis Gleichgesinnte bezüglich "Erbgesundheit"
und "ethisch Minderwertige". Denn er hegte ein lebenslanges
Vorurteil, dass der "ethisch-moralische Verfall" der Gesellschaft
eine Folge der "Selbstdomestikation" des Zivilisationsmenschen
(sowie der "Hybridisierung zwischen den Rassen") sei. Diese
Überzeugung ist auch gegen den Hintergrund der 1930er Jahre eindeutig
als unwissenschaftlich zu bewerten. Es ist eines der wenigen Schwächen
des Föger/Taschwer-Buches, dies nicht klar herauszustreichen und
zu erkennen, dass die Lorenzsche Schützenhilfe für die NS-Ideologie
und die Vernichtung "lebensunwerten Lebens" eben nie wissenschaftlich
war. Hier setzte ein anerkannter Wissenschaftler seine Überzeugungskraft
ein, um einen Glaubenssatz zu predigen.
Die wissenschaftlichen Verdienste von Konrad Lorenz lagen (und liegen)
allerdings anderswo. Gemeinsam mit Niko Tinbergen formulierte er den Rahmen
zur Erforschung des Verhaltens und der Evolution der Tiere einschließlich
des Menschen. Seine Konzepte zur stammesgeschichtlichen Entstehung von
Körperbau und Verhalten sind geistiges Allgemeingut geworden und
bilden letztlich immer noch die Grundlage der Verhaltensbiologie.
ao. Univ. Prof. Dr. Kurt Kotrschal
Assoc. Prof. Univ. Vienna, Director KLF
Literatur: KOTRSCHAL, K., G. MÜLLER und H. WINKLER (Hrsg.): Konzepte
der
Verhaltensforschung. Konrad Lorenz und die Folgen. Filander Verlag
Fürth, 300pp, ISBN 3-930831-33-3, Oktober 2001
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