GENETIK |
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DNA im Fokus (1) |
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DNA im Fokus - Einleitung Aktuelle medizinische Auswertemöglichkeiten in der DNA-AnalytikBis heute konnte eine Vielzahl an wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Aufbau und die Funktion der DNA erhoben werden. Vor allem in medizinischer Hinsicht wurden dabei bisher enorme Fortschritte erzielt, die insbesondere die Diagnose und Therapie von genbedingten Krankheiten sowie grundlegende Aussagen über die biologischen Zusammenhänge im menschlichen Körper betreffen. Im Folgenden wird daher eine Darstellung aktueller medizinischer Auswertemöglichkeiten vorgenommen, die im Zuge des wissenschaftlich-technischen Fortschritts möglich geworden sind. 1 GeschlechtsbestimmungDas Geschlecht einer Person kann gegenwärtig mit der Untersuchung der beiden Geschlechtschromosomen und dem jeweils darauf lokalisierten Gen des Zahnschmelz-Proteins Amelogenin bestimmt werden. Das betreffende Gen beinhaltet Introns, die sich in ihrer Länge auf dem X-Chromosom (106 Basenpaare) und Y-Chromosom (112 Basenpaare) unterscheiden. Wird im Zuge einer DNA-Analyse eine Länge von nur 106 Basenpaaren detektiert, handelt es sich eindeutig um eine weibliche Person, während man beim Vorhandensein beider Längen auf eine männliche Person schließen kann. 2 PopulationszuordnungNeben der Erstellung eines individualspezifischen DNA-Musters können mit der Untersuchung von STR-Systemen auch Informationen über die ethnische Zugehörigkeit gewonnen werden. Hierbei haben medizinische Forschungen ergeben, dass bei den STRs erhebliche Unterschiede bezüglich der Allelfrequenzverteilungen zwischen den drei ethnischen Hauptgruppen existieren. Somit kann mittels einer DNA-Analyse der nicht kodierenden Bereiche eine Aussage darüber getroffen werden, ob die untersuchte Person der asiatischen, schwarzafrikanischen oder kaukasischen Population entstammt. Überdies kann mit der Analyse von so genannten Single nucleotide polymorphisms (SNPs, "Snips") im kodierenden Bereich der DNA auf die Ethnie eines Menschen geschlossen werden. Dafür werden bestimmte SNPs bzw. so genannte AlMs (Ancestry Informative Markers) verwendet, die sich je nach ethnischer Volksgruppe unterschiedlich häufen. Diese Häufigkeitszahl wird in einer entsprechenden Datenbank gespeichert, so dass die nach der SNPs-Typisierung gewonnenen Ergebnisse mit den Referenzdaten der jeweiligen Bevölkerungsgruppe abgeglichen werden können. Somit kann festgestellt werden, welcher Population die Person zugehörig ist, um in weiterer Folge auch auf körperliche Merkmale wie die Hautfarbe, Augenpartie oder Nasenform zu schließen. Dieses unter dem Namen "DNAWitness™" durchgeführte Untersuchungsverfahren wurde durch die US-amerikanische Firma DNAPrint Genomics entwickelt und ermögliche nach eigenen Angaben die Bestimmung der vier möglichen Populationsgruppen "Sub-Saharan African, Native American, East Asian, and European". Nach Aussage des Unternehmens wurde das Verfahren kürzlich dahingehend erweitert, dass sich Personen europäischer Abstammung weiteren Subpopulationen (Südosteuropäer, Iberer, Basken, Kontinentaleuropäer und Nord Westeuropäer) zuordnen lassen können. Da hier ausschließlich AlMs der europäischen Abstammungslinie zur Anwendung kommen wird das spezielle Verfahren analog unter dem Namen "EuroDNA 2.0" vermarktet. Problematisch wird dieses Verfahren allerdings dann, wenn die untersuchte Person mehrere Ethnien in sich vereint. So könnte bereits die Mutter kaukasische und asiatische Wurzeln aufweisen, während der Vater Schwarzafrikaner ist. Diese "Problemfälle" würden vor allem in einem Land wie den Vereinigten Staaten gehäuft auftreten, da hier sämtliche Populationen aufgrund der hohen Einwanderungsdichte anzutreffen sind. Eine gesicherte Bestimmung der ethnischen Abstammung dürfte also in diesem Zusammenhang fast unmöglich erscheinen. 3 Nachweis von Behinderungen und Krankheiten auf Grund von ChromosomenanomalienDas menschliche Genom setzt sich aus insgesamt 46 paarweise auftretenden Chromosomen zusammen. Mitunter können in der Anzahl aber einige Anomalien auftreten, die ganze Gruppen von Genabschnitten in ihrer jeweiligen Funktion im Organismus beeinträchtigen und damit körperliche sowie geistige Erkrankungen beim Betroffenen zur Folge haben. In diesem Zusammenhang wäre die Trisomie 21 als bekanntestes Beispiel für eine numerische Chromosomenanomalie zu nennen, bei der ein zusätzliches Chromosom am 21. Chromosomenpaar vorkommt und das so genannte Down-Syndrom bei einem Menschen hervorruft. Beruhend auf der Tatsache, dass das auf dem 21. Chromosom befindliche STR-System D21S11 standardmäßig in der forensischen DNA-Analyse berücksichtigt wird, würde das Untersuchungsergebnis der DNA-Typisierung bei einer betroffenen Person drei Zahlenwerte hervorbringen und damit die Schlussfolgerung auf Trisomie 21 zulassen. Im Zuge der zuvor beschriebenen Geschlechtsbestimmung kann man des Weiteren Rückschlüsse auf das so genannte Klinefelter-Syndrom ziehen, bei dem ein zusätzliches X-Chromosom beim männlichen Chromosomenpaar XY vorliegt. Diesbezüglich würden bei der Längenuntersuchung der Amelogenin-Introns drei Werte ermittelt werden, von denen zwei identisch sind. 4 Bestimmung von Krankheitsveranlagungen und ErbkrankheitenDie nicht kodierenden Bereiche der DNA sind wie bereits erörtert informationslose DNA-Abschnitte, die keinen konkreten Einfluss auf die Funktionalität des menschlichen Organismus haben. Dennoch können sich einige STRs in unmittelbarer Nähe von Genen befinden, die für bestimmte Krankheiten bzw. Krankheitsveranlagungen ursächlich sind. Durch diese enge Verbindung lassen sich bei einer STR-Typisierung durchaus Rückschlüsse auf vereinzelte Krankheitsdispositionen gewinnen und in weiterer Folge ein körperliches Merkmal ableiten. Zum Beispiel wird das STR-System TH01 mit Diabetes Typ 1 in Verbindung gebracht, da es sich in unmittelbarer Nähe des für die Erkrankung verantwortlichen Gens befindet. Allerdings ist dieser Zusammenhang noch nicht als eindeutig bewiesen zu betrachten. Dagegen sind momentan mehr als 5.000 Krankheiten bekannt, die auf Veränderungen der kodierenden DNA-Bereiche beruhen. Hierbei werden vor allem die Krankheitsbilder näher betrachtet, die aus Veränderungen in der molekularen Genstruktur resultieren. Dazu gehören beispielsweise die häufig vererbten Stoffwechselerkrankungen Mukoviszidose und Phenylketonurie, die auf Gendefekte an den Chromosom 7 bzw. 12 zurückzuführen sind. Demgegenüber gestaltet sich die Bestimmung von Krankheitsveranlagungen und -anfälligkeiten als eher schwierig. Die Disposition zu einer in der Bevölkerung verbreiteten Erkrankung lässt sich in der Regel nicht nur auf ein einziges Gen abstellen, sondern ergibt sich eher aus der Kombination, Variabilität und Aktivität mehrerer Gene. Zudem spielen regelmäßig äußere Faktoren (Witterung, Nahrungsmittel, Medikamente, Stress etc.) eine wichtige Rolle, welche eine Veranlagung erst in eine konkrete Krankheit umwandeln. So wird zum Beispiel die genetische Veranlagung für die Entwicklung der als krankhaft angesehenen Alkoholabhängigkeit auf etwa 50-60 % geschätzt, während aber noch andere Faktoren wie der familiäre Hintergrund und soziokulturelle Einflüsse von Bedeutung sind. Weiterhin führen Gendefekte nicht immer zwingend zum sofortigen Ausbruch einer Krankheit. Beispielsweise lässt eine Veränderung im Gen BRCA1 das Brustkrebsrisiko bei einer Frau auf bis zu 80 % steigen, dennoch ist ein Ausbruch des Krebses nicht zwingend. Außerdem kann durch die Einnahme von Medikamenten oder die generelle Vermeidung einschlägiger Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung oder Alkoholmissbrauch der Ausbruch einer krankhaften Veranlagung entgegengewirkt werden. Neben der Bestimmung von körperlichen Erkrankungen ist man derzeit ebenfalls bestrebt, die genetische Disposition bezüglich der Entstehung von Geisteskrankheiten zu ergründen, wobei der Blick auch auf den Nachweis von speziellen Charaktereigenschaften sowie bestimmter Verhaltensweisen gerichtet ist. So soll zum Beispiel ermittelt werden, welche genetischen Anlagen für eine Schizophrenie maßgebend sind oder in wie weit einzelne Gene die Ausprägung der Intelligenz eines Menschen bedingen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich ein derartiger Nachweis allein aus der Analyse von Genabschnitten nicht bewerkstelligen lässt, da zu viele andere Faktoren (soziales Umfeld, Erziehung etc.) für die Ausprägung von psychischen Erkrankungen und charakterspezifischen Eigenschaften eine Rolle spielen. 5 Bestimmung äußerer KörpermerkmaleDurch die DNA-analytische Untersuchung der kodierenden Bereiche lassen sich auch Informationen über phänotypische Merkmale wie Haut-, Haar- oder Augenfarbe erzielen. Der Gegenstand dieser Untersuchungen ist dabei vorwiegend das Pigment Melanin, das in seiner stark variablen Eigenschaft und Intensität unterschiedliche Pigmentierungen der Haut und Haare beim Menschen bedingt. Es wird dabei davon ausgegangen, dass nur wenige Genloci für die Melaninproduktion verantwortlich sind. Es ist bereits ein Testverfahren veröffentlicht worden, mit dem die genetische Anlage zur Rothaarigkeit nachgewiesen werden kann. Rotes Haar lässt sich auf unterschiedliche Ausprägungsformen eines einzigen Gens mit dem Namen MC1R (Melanocortin-1-Receptor) zurückführen, welches in den Zellmembranen der Melanozyten zu finden ist und die Melaninsynthese reguliert. Bei einer durchgeführten Studie des Nederlands Forensisch Instituuts konnte bei 96 % zufällig ausgewählter Personen, die eine bestimmte Ausprägung des MC1R besaßen, nachgewiesen werden, dass sie rothaarig waren. Die übrigen 4 % der Personen gaben dabei an, dass sie zumindest in ihrer Kindheit und Jugend über rote Haare verfügten. Das US-amerikanische Forschungsinstitut DNAPrintGenomics hat zudem ein molekulargenetisches Verfahren zur Bestimmung der menschlichen Augenfarbe entwickelt, welches den Namen "Retinome™" trägt. Der Untersuchungsgegenstand bei diesem Analyseverfahren ist das für die Pigmentierung der menschlichen Iris verantwortliche Gen OAC2, welches auf dem 15. Chromosom liegt. Die eigentliche Färbung der Iris wird im Zusammenspiel mit zwei weiteren Genen bestimmt, so dass je nach Variation und Aktivität der drei Gene entweder eine grüne, braune oder blaue Augenfärbung entsteht. In einer Pressemittelung auf der Homepage des Instituts vom 17. August 2004 heißt es, dass Retinome™ eine Überstimmung in 97 % der untersuchten Fälle liefere. Der Anthropologe und Genetiker Mark Shriver geht im Zusammenhang mit der Bestimmung äußerer Merkmale einen Schritt weiter. Er und sein Team von der Pennsylvania State University sind im Begriff, ein DNA-analytisches Verfahren zu entwickeln, mit dessen Hilfe es möglich sein soll, ein Bild vom Gesicht einer Person zu konstruieren. Das Verfahren trägt den Namen "forensic molecular photo fitting" und wurde vom US-amerikanischen Justizministerium in Auftrag gegeben. Nach der computergestützten Auswertung von DNA-Proben und Fotos, die bei 243 Personen verschiedener ethnischer Abstammung gesammelt worden sind, konnte das Team um Mark Shriver sechs Gene ermitteln, die vermutlich einen Einfluss auf entsprechende Gesichtsmerkmale, wie Breite und Höhe des Gesichts bzw. Lippen- und Nasenform haben. Mit diesem Ansatz verspricht sich Shriver, dass die Informationen von etwa 1000 Genen dazu ausreichen, ein exaktes Bild vom Gesicht einer Person anzufertigen. 6 Der DNA-ChipIm Bereich der Gentechnologie haben sich ebenfalls einige nennenswerte Fortschritte entwickelt. Mit dem Ziel nach einer schnellen und aber auch sicheren Nachweismethode für krankheitsauslösende Einzelpunktmutationen (SNPs) nutzen Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes so genannte DNA-Chips. Mit dieser neuen Technologie erhoffen sich die Forscher vor allem eine einfache und zuverlässige Identifikation jener Krankheitsgene, welche die Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Alzheimer, Neurodermitis oder Parkinson fördern. Das Grundprinzip des DNA-Chips liegt in einer photochemischen Verknüpfung zweier DNA-Fragmente. Auf einem wenige Quadratzentimeter großen Glasträger (Matrix) werden in einem regelmäßigen Muster einige hundert einzelsträngige DNA-Moleküle bekannter Sequenz (Sonden) aufgebracht. Das zuvor mit fluoreszierenden Farbpigmenten angereicherte DNA-Probengemisch wird über die Matrix gegeben, so dass sich in weiterer Abfolge die komplementären Bereiche der DNA-Probe mit denen der Sonden verbinden, wobei nicht gebundene DNA-Bestandteile im Anschluss vom Objektträger gespült werden. Danach wird die Matrix mit einem Laser bestrahlt, der die farbmarkierten DNA-Sequenzen detektiert und somit die relevanten SNPs nachweist. Der Vorteil dieser Technologie liegt in seinem Potenzial, eine Vielzahl unterschiedlicher Gene und anderer Zielsequenzen einer DNA-Probe gleichzeitig und völlig automatisiert nachzuweisen, wodurch eine schnellere Diagnose und eine entsprechend abgestimmte Therapie gewährleistet werden kann. Mit der vorangegangenen Darstellung der medizinischen Möglichkeiten und Bestrebungen, die man gegenwärtig durch eine DNA-Analyse erzielt, ergeben sich auch einige interessante Nutzungsmöglichkeiten für den Bereich der kriminalistischen Untersuchungsführung. Aus: Tom Winterfeld: DNA - im Fokus der Kriminalistik VDM Verlag Dr. Müller (gekürzt) |
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